Artikel

KHK-Risiko bei Patienten mit rheumatischen Erkrankungen

KHK-Risiko bei Patienten mit rheumatischen Erkrankungen

Kardiovaskuläre Erkrankungen stehen weltweit nach wie vor an der Spitze der Todesursachen. Zu den Risikofaktoren gehören neben genetischer Belastung, Rauchen, Diabetes, Bluthochdruck, Übergewicht und erhöhtem Cholesterin auch chronische Entzündungen.


Koronare Herzkrankheit und Schlaganfälle dominieren die Mortalitäts- und Morbiditätsstatistiken in Europa und USA (1,2). Die Erforschung der Pathogenese atherothrombotischer Prozesse wird daher schon seit Langem intensiv betrieben. Epidemiologische Studien haben eine ganze Reihe an Risikofaktoren zutage gebracht. Etwas willkürlich wird zwischen traditionellen und nichttraditionellen Risikofaktoren unterschieden. Zu den ersten gehören genetische Belastung, Rauchen, Diabetes, Bluthochdruck, Übergewicht und erhöhtes Cholesterin. In der zweiten Gruppe finden wir neben dem metabolischen Syndrom, Nierenerkrankungen und passivem Lebensstil auch die Gruppe der chronischen Entzündungen (3).

Was das Wechselspiel einzelner Risikofaktoren betrifft, gilt es als gesichert, dass sowohl genetische Konstellationen wie auch Komponenten eines mehr oder weniger gesunden Lebensstils auf das kardiovaskuläre Risiko Einfluss nehmen. In welchem Ausmaß ein erhöhtes genetisches Risiko durch einen gesunden Lebensstil reduziert werden kann, war aber lange Zeit Gegenstand theoretischer Diskussionen. Fortschritte in den molekularbiologischen Techniken haben es nun ermöglicht, kardiovaskuläre Risiken bestimmten Polymorphismen zuzuordnen und entsprechende Risikoklassen zu erstellen – in allen genetischen Risikoklassen war die Ereignisrate bei gesundem Lebensstil deutlich reduziert, in der Hochrisikogruppe sogar fast halbiert (4).

Entzündlich-rheumatische Erkrankungen und kardiovaskuläres Risiko

Rheumatoide Arthritis – sowie andere chronisch entzündliche Erkrankungen – ist mit überdurchschnittlich hoher kardiovaskulärer Morbidität und Mortalität belastet (5). Eine Kohortenstudie in den Niederlanden fand heraus, dass die Prävalenz kardiovaskulärer Erkrankungen bei Patienten mit rheumatoider Arthritis gleich hoch war wie bei Patienten mit Diabetes Typ 2 (6). Der Verdacht lag nahe, dass Wirkungen proinflammatorischer Zytokine an der Entwicklung der entzündlichen Arthritis ebenso beteiligt waren wie an der Ausbildung der atherosklerotischen Prozesse. Darüber hinaus konnte an einer über bis zu zwanzig Jahren beobachteten Kohorte gezeigt werden, dass das Ausmaß der Entzündung bei Patienten mit seropositiver Arthritis ein negativer prognostischer Faktor bezüglich kardiovaskulärer Ereignisse war (7).

Konsequenzen

Die Europäische Gesellschaft für Rheumatologie (EULAR) hat aufgrund der Datenlage und der immer noch bestehenden Defizite in der kardiovaskulären Prävention Empfehlungen zum Risikomanagement bei Patienten mit rheumatoider Arthritis und anderen entzündlichen Gelenkerkrankungen herausgegeben und erst vor kurzem aktualisiert (8). In Ermangelung validierter, rheumaspezifischer Risiko-Scores wird empfohlen, für die kardiovaskuläre Risikoabschätzung auch bei rheumatischen Patienten klassische Scores wie FRAMINGHAM oder SCORE zu nutzen, deren Ergebnisse aber dann mit dem Faktor 1,5 zu multiplizieren, um die höhere Gefährdung durch die rheumatische Erkrankung abzubilden. Kontrolliert werden sollten die Risikofaktoren bei Rheumapatienten mit stabiler Therapie alle fünf Jahre sowie immer dann, wenn sich die rheumatologische Basistherapie grundsätzlich ändert.

Was den Einsatz lipidsenkender Substanzen und Antihypertensiva betrifft, gelten bei Rheumapatienten die gleichen Überlegungen wie bei Patienten ohne entzündlich-rheumatische Erkrankung.

Medizinische Wissenschaft hat in den letzten Jahren viel Licht auf die ehemals dunkle Seite der exzessiven kardiovaskulären Mortalität bei entzündlich-rheumatischen Erkrankungen geworfen. Jetzt bedarf es nur noch der Wahrnehmung und Umsetzung.

Quelle: Auszug aus dem „Rheuma und Gerinnung – Abstract Book“ zur Rheuma und Gerinnung Sprechstunde (30.03.2017).

Literatur

(1) Nichols M, Townsend N, Scarborough P, Rayner M, Cardiovascular disease in Europe: epidemiological update. Eur Heart J 2013; 34(39):3028-3034;

(2) Mozaffarian D, Benjamin EJ, Go AS et al., Heart disease and stroke statistics - 2016 Update. A report from the American Heart Association. Circulation 2015; 133:e38-e360;

(3) Libby P, Mechanisms of acute coronary syndromes and their implications of therapy. N Engl J Med 2013; 368(21):2004-2013;

(4) Khera AV, Emdin CA, Drake I et al., Genetic risk adherence to a healthy lifestyle, and coronary disease. N Engl J Med 2016; 375(24): 2349-2358;

(5) Libby P, Role of inflammation in atherosclerosics associated with rheumatoid arthritis. Am J Med 2008; 121(10 Suppl.1):21-31;

(6) van Halm VP, Peters MJL, Voskuyl AE et al., Rheumatoid arthritis versus diabetes as a risk factor for cardiovascular disease: a cross-sectional study, the CARRE Investigation. Ann  Rheum Dis 2009; 68:1395-1400;

(7) Wallberg-Jonsson S, Johansson H, Ohman ML et al., Extent of inflammation predicts cardiovascular disease and overall mortality in seropositive rheumatoid arthritis. A retrospective cohort study from disease onset. J Rheumatol 1999; 26(12):2562-2571;

(8) Agca R, Heslinga SC, Rollefstad S et el., EULAR recommendations for cardiovascular disease risk management in patients with rheumatoid arthritis and other forms of inflammatory joint disorders. 2015/2016 update. Ann Rheum Dis 2016; 0:1-12. Doi: 10.1136/annrheumdis-2016-209775;

Kommentare