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Therapieziel souveränes und freudvolles Leben: Das Orpheus-Behandlungsprogramm

Therapieziel souveränes und freudvolles Leben: Das Orpheus-Behandlungsprogramm

Ein neues Therapiekonzept in der Behandlung von Suchterkrankten soll durch Stärken von individuellen Fähigkeiten zu einem selbstständigen und freudvollen Leben führen.


Sie alle kennen die Geschichte von Odysseus und den Sirenen: Um ihren lieblichen, letztlich aber tödlichen Gesängen unbeschadet lauschen zu können, ließ sich der listige Krieger an einen Schiffsmast binden. Letztlich hat er der Versuchung mit Zwang und Selbstgeißelung widerstanden. Schon weniger bekannt ist die von Orpheus gewählte Strategie: Der Leierspieler mobilisierte all seine inneren Kräfte und übertönte den Sirenengesang einfach mit noch schönerer und noch lauterer Musik.

Das ist der Grund, warum er als Namensgeber für unser neues Therapieprogramm gewählt wurde. Im Rahmen unseres Orpheus-Programms sollen Menschen mit Abhängigkeits-Erkrankungen lernen, ihre eigene Kreativität und Ausdrucksmöglichkeiten zu entdecken und diese als Strategie gegen die „sirenenhafte“ Verlockung des Suchtmittels zu verwenden.
 

Österreich weltweit an der Spitze bei der Häufigkeit von Suchterkrankungen

Der Bedarf an solchen Therapien steht außer Frage. Was Suchterkrankungen betrifft, liegt Österreich weltweit unter den Top 10. Allen voran steht die Alkoholkrankheit, mit geschätzten 350.000 Betroffenen – also fast fünf Prozent der Bevölkerung. Bis zu 1,6 Millionen sind nikotinsüchtig, rund 150.000 bis 180.000 von Medikamenten und etwa 30.000 von illegalen Drogen abhängig. Dazu kommt eine stetig wachsende Anzahl an Menschen, die an so genannten nicht substanzgebundenen Süchten leiden, wie Internet-, Kauf- oder Spielsucht. Damit gehören die Suchererkrankungen zu den relevantesten Volksgesundheitsproblemen in Österreich. Es gibt somit praktisch niemanden in diesem Land, der nicht direkt oder indirekt davon betroffen wäre.

Paradigmenwechsel in der Therapie: Attraktive Ziele statt reinem Verzicht

Bisherige Behandlungsansätze reichten meist nicht über das „Symptom-Killing“ hinaus. Es galt das Symptom zum Verschwinden zu bringen und das einzige Ziel war die Abstinenz. Nun liegt es in der Natur des Menschen, dass Verzicht und Entsagung allein noch keine attraktiven und erstrebenswerten Ziele sind. Das Versagen dieses Therapiekonzeptes konnte man an Hand hoher Rückfallquoten feststellen, für die man dann auch noch die Patienten und ihren „schwachen Willen“ verantwortlich gemacht hat.

Das klare Therapieziel vom Orpheus-Programm ist ein souveränes und freudvolles Leben. Der Patient soll als Alternative zum Suchtmittel andere Dinge entdecken, die attraktiv und wichtig für ihn sind oder werden könnten. Damit wird der Verführungskunst des Suchtmittels etwas entgegengesetzt, das stärker ist als alle rationalen Argumente und guten Vorsätze: nämlich das Leben selbst und die Lust, an diesem aktiv teilzuhaben. 

Ressource des Schönen – Ressource des Möglichen

Um zu lernen, dass es keinen äußeren Stimulantien bedarf, um positive Stimmung, Gefühle und Zufriedenheit zu empfinden, braucht es zwei wesentliche Kraftquellen:
Die erste nennen wir die „Ressource des Schönen“. Das Problem dabei ist, dass die Vorstellung von Schönheit etwas höchst Individuelles ist. Wir versuchen herauszufinden, was für unsere Patienten ein attraktives Ziel wäre. Dafür bieten wir ihnen verschiedene Module in unterschiedlichen Interessensbereichen an. Die reichen von philosophischen Gruppen über Kreativ-Werkstätten, Kunsttherapie, Singen, Körperwahrnehmungsmodule, etc. bis hin zur Anleitung zur genussvollen Lebensneugestaltung. Welche Module für den jeweiligen Patienten passend sind, wird in einem sogenannten zielorientierten Dialog – einer Gesprächsform, die wir am Institut entwickelt haben – gemeinsam von Patienten und Therapeuten bestimmt.

Damit ist es aber nicht getan: Auch das attraktivste Ziel wirkt nur dann motivierend, wenn wir es im Rahmen unserer „Ressource des Möglichen“ auch für erreichbar halten. Wie wir aus früheren Therapiekonzepten wissen, führt der Zwang, etwas schier Unmögliches versuchen zu müssen, vor allem zu Nicht-Compliance.

Fokus auf individuelle Fähigkeiten und Stärken legen

Um die individuell sehr unterschiedlichen Potentiale unserer Patienten ausfindig zu machen, beginnt das Orpheus-Programm schon mit einer radikal geänderten Diagnostik. Dabei geht es nicht mehr nur darum Defizite ausfindig zu machen, sondern die kognitiven, sozialen, emotionalen und spirituellen Fähigkeiten jedes Einzelnen zu erkennen und für die Therapie nutzbar zu machen.

Erste Erfolge: Mehr Freude und Lebenszufriedenheit

Mit diesem Ansatz, den wir vor mehr als zehn Jahren zu entwickeln begonnen haben, waren wir weltweit Trendsetter. Inzwischen läuft das Programm nicht nur seit drei Jahren am Anton-Proksch-Institut im Vollbetrieb, sondern wurde in ähnlicher Form bereits von anderen Suchtkliniken übernommen. Derzeit sind wir gerade dabei zu erheben, wie sich das Programm langfristig auf das Trinkverhalten auswirkt. Harte Daten dazu haben wir noch keine, doch es zeigt sich ein eindeutiger Trend in Richtung einer größeren Nachhaltigkeit. Was wir bereits sicher sagen können ist, dass es zu deutlichen Wertveränderungen bei den Patienten kommt. Die Freude am eigenen Leben und die Zufriedenheit nehmen deutlich zu. 

Orpheus-Programm für viele Patientengruppen anwendbar

Vom Prinzip her sind solche Lebensneugestaltungs-Programme selbstverständlich auch auf andere Patientengruppen übertragbar, bei denen sich ihr bisheriger Lebensstil als gesundheitsschädigend erwiesen hat oder schlicht nicht mehr möglich ist. Das betrifft unzählige chronische Krankheiten wie etwa Diabetes, Adipositas oder Bluthochdruck. Am Anton-Proksch-Institut werden aber auch bereits Burnout-Patienten mit diesem Therapiekonzept behandelt. Ebenso wäre vor allen auch eine Ausweitung auf geriatrische und demente Patienten denkbar. Gerade bei älteren Patienten könnten mit ressourcen-orientierten Therapieformen beachtliche Erfolge erzielt werden.

 

Quelle: B&K Kommunikation

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B&K/Nicholas Bettschart

 

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