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Potenzieller Biomarker zur Klassifizierung eines bösartigen Hirntumors bei Kindern gefunden

Potenzieller Biomarker zur Klassifizierung eines bösartigen Hirntumors bei Kindern gefunden

Enzym Telomerase gibt Aufschluss über den möglichen Krankheitsverlauf


Primäre Tumoren des Gehirns und Rückenmarks sind nach den Leukämien die zweithäufigsten Krebserkrankungen im Kindes- und Jugendalter. Das Vorhandensein des Enzyms Telomerase charakterisiert eine besonders bösartige Subgruppe von Ependymomen im Kleinhirn und könnte zusätzlich zu bekannten Markern Informationen zur präziseren Einschätzung der Prognose und somit zur Wahl der Therapie liefern. Dies konnte eine Studie zeigen, die an der MedUni Wien und dem AKH Wien im Rahmen des Comprehensive Cancer Center (CCC) und in Kooperation mit dem Deutschen Krebsforschungszentrum in Heidelberg durchgeführt wurde. Die Studie wurde nun im Top-Journal Neuro-Oncology publiziert. 

Ependymome sind im frühen Kindesalter die dritthäufigsten Tumoren des zentralnervösen Systems. Sie sind in diesem Alter häufig sehr aggressiv und weisen eine schlechte Prognose auf. In Österreich wird diese Art von Tumor bei rund neun Kindern pro Jahr neu diagnostiziert. Die bisherige Therapie besteht aus der operativen Entfernung sowie einer anschließenden Strahlen- und Chemotherapie. 

Viele Unterarten – ein Name
Jüngste Forschungsaktivitäten haben gezeigt, dass Ependymome keine homogene Tumorart sind, sondern sich aufgrund ihrer molekularbiologischen Eigenschaften in mehrere Untergruppen einteilen lassen, die unterschiedliche Prognosen aufweisen und daher wahrscheinlich auch unterschiedlich therapiert werden können.

Enzym treibt Tumorwachstum an
Die neue Studie von Johannes Gojo, Assistenzarzt und Forscher an der Universitätsklinik für Kinder- und Jugendheilkunde der MedUni Wien und des AKH Wien sowie Mitglied des CCC, untersuchte, ob sich das Enzym Telomerase als Biomarker bei Ependymomen nutzen lässt. Gojo: „Wir konnten zeigen, dass die Telomerase vor allem in den Tumoren reaktiviert war, die einen besonders aggressiven Verlauf aufwiesen. Das heißt, dass der Tumor trotz operativer Entfernung und anschließender Strahlen- und Chemotherapie wiederkehrte.“ Die WissenschafterInnen vermuten, dass man so PatientInnen identifizieren könnte, welche von einer intensivierten Therapie profitieren. Im Gegenzug könnte man auch PatientInnen, deren Tumor weniger aggressiv ist, die Chemotherapie ersparen. Dies würde einen ungeheuren Gewinn an Lebensqualität für die Betroffenen bedeuten. Gojo:

 

Das Vorhandensein der Telomerase könnte also gemeinsam mit anderen Parametern die Wahl des Therapiekonzepts entscheidend unterstützen. Damit stellt sie einen vielversprechenden Biomarker dar. Bevor wir ihn in der Klinik einsetzten können, muss das Konzept aber noch in weiteren Studien geprüft werden.


Das Studienteam konnte zusätzlich erste Einblicke in die Mechanismen gewinnen, die zur Reaktivierung der Telomerase führen. 

Telomere bestimmen Lebenszeit
„Die menschlichen Zellen sind sterblich. Dabei wird ihre Lebenszeit nicht nach der Uhr oder dem Kalender gemessen, sondern am Ausmaß ihrer Fähigkeit sich zu teilen: Je länger die sogenannten Telomere sind, desto öfter kann sich die Zelle teilen“ so Walter Berger, stellvertretender Leiter des Instituts für Krebsforschung der MedUni Wien, Mitglied des CCC und gemeinsam mit Christine Haberler vom Klinischen Institut für Neurologie Korrespondenzautor der Studie.

Telomere sind „Kappen“ am Ende der Chromosomen, die die Chromosomen davor schützen aufzubrechen und damit quasi „auszufransen“, was Zellschäden zur Folge hätte. Bei jeder Zellteilung verkürzen sich die Telomere. Sind die Telomere zu kurz oder verliert die Zelle die Fähigkeit Telomerase zu bilden, leitet sie den Zelltod ein und stirbt. Das Enzym Telomerase kann Telomere aufrechterhalten beziehungsweise ihre ursprüngliche Länge wieder herstellen. Viele Tumoren haben die Fähigkeit Telomerase zu reaktivieren, was in Folge unbegrenztes Wachstum ermöglicht.

Internationale Kooperation
Die Arbeit ist ein Kooperationsprojekt des Instituts für Krebsforschung der MedUni Wien, der Universitätsklinik für Kinder- und Jugendheilkunde, des Instituts für Neurologie, der Universitätsklink für Neurochirurgie (alle MedUni Wien und AKH Wien), dem Neuromed Campus Linz und dem Deutschen Krebsforschungszentrum in Heidelberg.

Die Ergebnisse der Untersuchung wurden nun in Neuro-Oncology, einer der wichtigsten Fachzeitschriften auf dem Gebiet, veröffentlicht. In derselben Ausgabe erschien auch ein Fachkommentar von zwei internationalen Experten, die die Arbeit als sehr relevant bewerten.

Die Studie wurde an der MedUni Wien vom Jubiläumsfonds der Österreichischen Nationalbank, dem Medizinisch-Wissenschaftlicher Fonds des Bügermeisters der Bundeshauptstadt Wien, der Herzfelder’schen Familienstiftung und der Forschungsgesellschaft für zerebrale Tumore gefördert.

Quelle: Pressemeldung Medizinische Unversität Wien - AKH Wien
 

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