Artikel

Akademien der Wissenschaften warnen vor Homöopathie

Akademien der Wissenschaften warnen vor Homöopathie

Kein einziger fundierter Hinweis, dass homöopathische Produkte mehr wirken als Placebo - Anwendung schädlich, wenn evidenzbasierte Therapien verzögert oder gar unterlassen werden.


Alternativmedizin ist nicht nützlich, sondern gesundheitsschädlich, warnt die Dachorganisation der europäischen Akademien der Wissenschaften EASAC. Es gäbe keinen Beleg für die Wirksamkeit von Homöopathie und ihre Anwendung verzögert evidenzbasierte Therapien, so die Wissenschafter in einer Stellungnahme. Sie fordern, dass in Europa nur nachweisbar wirksame Medizinprodukte verkauft werden dürfen.

Die einzige reproduzierbare Wirkung ist bei der Homöopathie der Placeboeffekt, erklären die Wissenschafter einer vom European Academies Science Advisory Council (EASAC) eingesetzten Arbeitsgruppe. Sie haben die vorhandenen "exzellenten, wissensbasierten Bewertungen von offiziellen und unparteiischen Stellen" durchforstet, diskutiert und bewertet.

Der Pathologe und Pharmazie-Experte Helmut Denk war als Vertreter der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) an der Stellungnahme beteiligt.

Ich halte es für sehr wichtig, Patienten darüber aufzuklären, dass es keinen wissenschaftlich fundierten und reproduzierbaren Hinweis dafür gibt, dass homöopathische Produkte - über den Placeboeffekt hinaus - bei irgendeiner Erkrankung wirksam sind,

erklärte er gegenüber der APA. Sie könnten sogar schädlich sein, wenn durch ihre Verabreichung eine spezifische Therapie verzögert oder gar unterlassen wird. Dieser Schaden wird durch die Marketing-Praxis der Homöopathen verstärkt, die Schulmedizin ständig schlechtzumachen, so die Wissenschafter in der Stellungnahme.

Alle angeblich gezeigten Effekte der Homöopathie jenseits des Placeboeffekts wären auf schlechtes Studien-Design, Zufallsvariation oder Publikations-Bias, also das bevorzugte Veröffentlichen von Studien, die zu positiven Ergebnissen gekommen sind, zurückführbar, schrieben sie: "Wir schließen daraus, dass die Behauptungen der Homöopathie nicht plausibel und widersprüchlich zu etablierten wissenschaftlichen Konzepten sind."

In der Humanmedizin sei es bedenklich, dass Ärzte solche unwirksamen Produkte verschreiben. Auch die Anwendung in der Tiermedizin halten die Forscher für besorgniserregend, wenn Infektionen beim Viehbestand vorrangig mit Homöopathie anstatt evidenzbasierten Medizinprodukten behandelt werden.

Die Wissenschafter kritisieren auch die teils lascheren Qualitätskontrollen und Sicherheits-Beurteilungen von homöopathischen Produkten. Die US-Arzneimittelbehörde FDA hätte zum Beispiel kürzlich von "schweren Nebenwirkungen einschließlich Todesfällen bei Kindern" berichtet, die bei einem homöopathischen Produkt aufgetreten sind, das zahnenden Kindern verabreicht wurde. In einigen Mitteln fanden sich zu hohe Konzentrationen des "Wirkstoffes", nämlich Tollkirsche (Belladonna).

Sie fordern von den EU-Behörden, dass alles, was als Medizinprodukte für Mensch und Tier zugelassen und verkauft wird, konsequent und objektiv auf Wirksamkeit, Sicherheit und Qualität getestet ist.

'Alternative Medizin' bedarf strenger Richtlinien zur Aufklärung der Patienten und Angaben über den Inhalt homöopathischer Produkte in qualitativer und quantitativer Hinsicht,

so Denk. Es dürfe auch keine Finanzierung durch das Gesundheitssystem ohne strikten Nachweis der Wirkung und Sicherheit homöopathischer Handlungen und Produkte geben, meint er.

Die Alternativmedizin ist in Europa und besonders Österreich weit verbreitet: Der Markt für solche Produkte war 2015 in der EU mehr als eine Milliarde Euro schwer und wächst pro Jahr um sechs Prozent. Er ist auf wenige Konzerne konzentriert: Die fünf größten Firmen teilen sich 70 Prozent des Sektors. In einigen Ländern wie Schweden, Polen und Großbritannien werden Homöopathika nur von einem Prozent der Bevölkerung angewandt. Österreich, Frankreich und Deutschland gehören mit bis zu 13 Prozenten hingegen zu den Spitzenreitern.

Homöopathie ist ein Konzept, dass der deutsche Mediziner Samuel Hahnemann Ende des 18. Jahrhunderts schuf, um mit verschiedensten, stark verdünnten Stoffen Krankheiten zu behandeln. Seine Doktrin basiert erstens auf dem Konzept: "Gleiches heilt gleiches": Krankheitssymptome sollen also mit einer Substanz bekämpft werden, die möglichst ähnliche Symptome verursacht. Außerdem nahm er an, dass seine Mittel umso potenter werden, umso öfter man sie verdünnt.

Quelle: APA / Stellungnahme der EASAC zur Homöopathie

Kommentare