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Antibiotika-Resistenzen: ein zunehmendes Problem

Antibiotika-Resistenzen: ein zunehmendes Problem

Österreich und die Welt haben in der Medizin ein wachsendes Problem mit gegen Antibiotika resistenten Keimen.


Für das Jahr 2050 wird in Europa mit rund 390.000 Todesfällen dadurch gerechnet, in Asien gar mit 4,7 Millionen Opfern, hieß es bei der Wissenschaftlichen Fortbildungstagung der Österreichischen Apothekerkammer (bis 7. März) in Schladming.

Wir haben ein Problem. Da ist sich sogar die hohe Politik einig. Man muss gemeinsam daran arbeiten, dass unsere Antiinfektiva (antibiotische wirkende Medikamente; Anm.) so lange wie möglich wirksam bleiben,

sagte Ulrike Porsche, Spitalsapothekerin der Salzburger Landeskrankenanstalten.

 

Österreich ist im internationalen Vergleich in einer relativ guten Position. Doch Schwierigkeiten existieren unbestreitbar: Auf der einen Seite ist beispielsweise der Anteil der multiresistenten Staphylococcus aureus-Stämme (Staph. aureus) von 9,1 Prozent im Jahr 2013 auf 7,1 Prozent im Jahr 2016 zurückgegangen. Auf der anderen Seite waren im gleichen Jahr bereits 27 Prozent der Haemophilus influenzae-Erreger bei Krankenhauspatienten unempfindlich gegenüber den wichtigsten Antibiotika wie Amoxicillin oder Ampicillin.

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) geht davon aus, dass 50 Prozent der Antibiotika nicht adäquat verschrieben werden. 50 Prozent der Patienten nehmen sie falsch ein. 50 Prozent der Weltbevölkerungen haben noch keinen Zugang zu Antibiotika,

sagte die Wiener Infektionsspezialistin Brigitte Meyer (Kaiser Franz Josef-Spital). Die globale Schätzung der WHO lässt sich laut Ulrike Porsche auch auf der Basis von Daten aus einer Untersuchung im Spitalsbereich in Salzburg nachvollziehen: 34,1 Prozent der mit Antibiotika therapierten Patienten waren inadäquat behandelt, bei 13,5 Prozent konnte die Qualität der Therapie im Nachhinein nicht beurteilt werden. Adäquat behandelt waren 52,4 Prozent.

 

Resistenzen entstehen vor allem durch Übergebrauch von Antibiotika in Medizin und in der Landwirtschaft (Viehhaltung, Geflügelzucht), durch zu geringe Dosierung oder zu kurze oder zu lange Einnahme. Überragend ist jedenfalls der Anteil zu häufig verschriebener Antibiotika an dem Problem. "Der systemische Gesamtverbrauch an Antibiotika in Österreich betrug im Jahr 2016 in der Humanmedizin 71,602 Tonnen Wirksubstanz, davon 67 Prozent im niedergelassenen Bereich und 33 Prozent im stationären Bereich", sagte Ulrike Porsche. Der Zuwachs von 69,158 Tonnen im Jahr 2010 auf die mehr als 71 Tonnen im Jahr 2016 (plus 15,5 Prozent) sei auf die vermehrte Benutzung von Antibiotika in Spitälern zurückzuführen.

 

Hauptgrund für die Entwicklung von Antibiotika-resistenten Krankheitserregern ist die Medizin selbst. Umfassende Maßnahmen mit möglichst lückenloser Erfassung der Mengenströme in der Landwirtschaft haben in Österreich bereits Wirkung gezeigt.

 

"Zwischen 2011 und 2014 ist die Menge der im Geflügelbereich verwendeten Antibiotika um 44 Prozent zurückgegangen", sagte die Wiener Inkfektionsspezialistin Brigitte Meyer bei der Wissenschaftlichen Fortbildungstagung. Allerdings gibt es gerade im Gesundheitswesen als größtem Einsatzgebiet Defizite: Die Antibiotika-Verbrauchsdaten sind in Österreich nicht komplett. Es fehlen die Informationen aus den Krankenhäusern mit immerhin rund einem Drittel der verwendeten Menge an Antiinfektiva.

 

Außerdem fehlt bisher die Möglichkeit zur Zusammenführung der Informationen über die Verschreibung von Antibiotika mit der Diagnose beim Patienten. Nur dadurch könnte analysiert werden, ob und wann Antibiotika richtig verwendet werden. "Es gibt in Österreich keine Meldepflicht für hochresistente Erreger", stellte Rainer Gattringer vom Institut für Hygiene, Mikrobiologie und Tropenmedizin am Krankenhaus der Elisabethinen (Linz) fest.

 

Die größten Herausforderungen mit zunehmenden Resistenzen werden weltweit bei Pneumokokken, Beta-hämolysierenden Streptokokken, Staph. aureus sowie bei Enterokokken registriert. Besonders beunruhigend ist die Entwicklung bei den sogenannten Gram-negativen Bakterien wie Escherichia coli, Pseudomonas aeruginosa und Acinetobacter baumanii-Keimen.

Bestmögliche Verschreibweise bei Antibiotika, ausreichende Dosierung und ausreichend lange, aber nicht zu lange Einnahme stellen den Schlüssel zur Beherrschung der Situation dar. In den Krankenhäusern muss es eine andauernde Überwachung auf vorkommende Spitalsinfektionen geben. Hinzu kommen strikte Hygienemaßnahmen (speziell: Händehygiene). Wichtig wären auch Qualitätszirkel im niedergelassenen Bereich von Ärzten mit Apothekern, um die Verwendung von Antibiotika zu optimieren.

 

Hoffnung auf eine "Wunderpille" gibt es nicht. Die pharmazeutische Industrie hätte sich zu einem Gutteil aus der Forschung auf diesem Gebiet zurückgezogen, sagte die Salzburger Spitalsapothekerin Ulrike Porsche. Während zwischen 1991 und dem Jahr 2000 in Deutschland 22 neue Antibiotika zugelassen wurden, waren es zwischen 2001 und 2010 nur noch acht. Es könnten aber im Zeitraum zwischen 2011 und 2020 wieder 18 werden, wenn - was unsicher ist - alle klinischen Studien positiv verlaufen.

 

Doch ein entscheidender Durchbruch kündigt sich nicht an. Bei den neuen Antibiotika handelt es sich zumeist um alte Wirksubstanzen mit zusätzlichen Inhaltsstoffen zur Erhöhung des Effektes. Zurückgegriffen wird auch auf alte Antibiotika, die man in der Medizin aus verschiedensten Gründen nicht mehr verwenden wollte. Außerdem holen die Resistenzen regelmäßig alle Neuentwicklungen wieder ein. Es ist eben der Darwinsche Selektionsdruck als Grundprinzip der Entwicklung des Lebens, der dahintersteckt und sich nicht aushebeln lässt.

Quelle: APA

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