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Ernährungsexperten und Ärztekammer fordern Aktionsplan gegen Adipositas

Ernährungsexperten und Ärztekammer fordern Aktionsplan gegen Adipositas

Ärztekammer und Ernährungsexperten fordern von der Politik wirksame flächendeckende Präventions- und Behandlungsmodelle.


In Europa sind 12 bis 16 Millionen Kinder übergewichtig, mit steigender Tendenz. Die WHO erwartet angesichts des Massenphänomens Adipositas auch von Österreich, dass bis zum Jahr 2020 das Übergewicht im Kindes- und Jugendalter stagniert, und wissenschaftlich fundierte Konzepte, um diese Ziel zu erreichen.

Krankhaftes Übergewicht bei Kindern und Jugendlichen ist inzwischen eine gesundheitliche und gesundheitspolitische Zeitbombe ersten Ranges und eine Basis für eine Reihe von Erkrankungen und höhere Sterblichkeit. Die Politik muss wirksamen Präventions- und Behandlungsmodellen höchste Priorität einräumen,

sagt Johannes Steinhart, Obmann der Bundeskurie niedergelassene Ärzte und Vizepräsident der Österreichische Ärztekammer.

Wir brauchen einen Aktionsplan gegen Adipositas.

In Europa sind 12 bis 16 Millionen Kinder, bedingt durch Fehlernährung und Bewegungsmangel, übergewichtig. „In einer untersuchten Wiener Volksschule liegt die Häufigkeit von Übergewicht bzw. Adipositas bei 40 Prozent. Diese Kinder haben ein erhöhtes Risiko zum Beispiel für Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Diabetes oder Gelenksschäden. Außerdem ist Übergewicht assoziiert mit geringem Selbstwertgefühl, sozialer Ausgrenzung und psychischen Erkrankungen wie Angstzuständen und Depressionen", sagt Univ.-Prof. Dr. Kurt Widhalm, Kinderarzt und Präsident des Österreichischen Akademischen Instituts für Ernährungsmedizin.

 

Die WHO fordert angesichts des Massenphänomens Übergewicht/Adipositas auch von Österreich, dass bis zum Jahr 2020 das Übergewicht im Kindes- und Jugendalter stagniert. Prof. Widhalm: „Dafür sind neue präventive und therapeutische Zugänge notwendig. Wir müssen evaluierte Therapie- und Präventionsprogramme auf breiter Basis evaluieren, die zu einer Reduktion der Belastung durch ernährungsbedingte Krankheiten führen."

 

Ein Beispiel dafür ist das EDDY Young Projekt („Effect of sports and diet training to prevent obesity and secondary diseases and to influence young children‘s lifestyle"). Es verfolgt das Ziel, ein bezüglich der Wirksamkeit wissenschaftlich evaluiertes Programm zur Prävention von Übergewicht und kardiovaskulären Erkrankungen zu entwickeln. EDDY beruht unter anderem auf Ernährungs- und Lifestyle-Schulung an Schulen durch spezialisierte Kräfte gemeinsam mit den Lehrpersonen, speziellem körperlichem Training, und dem Einsatz von speziell entwickelten Apps. „Das günstigste Alter dürfte um das 10. Lebensjahr liegen, weil dann bei den Kindern entsprechendes Bewusstsein hergestellt werden kann", so Prof. Widhalm.

Damit konnte messbar die körperliche Leistungsfähigkeit erhöht, das Ernährungswissen und -verhalten verbessert und der Anstieg des Körperfettes gebremst werden. Die Ausweitung so eines wissenschaftlich ausgewerteten Programms zur Prävention von Übergewicht und zur Verbesserung des Lebensstils ist dringend geboten.

Übergewicht bei Jugendliche: Abnehmen schützt ihr Herz

 

Dass Abnehmen bei Jugendlichen das Herz schützt, wird durch eine Reihe aktueller Studien bestätigt, zum Beispiel eine auf dem letzten Kongress der Europäischen Kardiologengesellschaft (ESC) präsentierte Untersuchung aus Leipzig. Die Forscher untersuchten insgesamt 60 Jugendliche: 30 von ihnen waren und blieben normalgewichtig, 15 waren und blieben übergewichtig und 15 reduzierten im Kontrollzeitraum von 3,2 Jahren ihr Übergewicht. Die Untersuchungen wurden mittels einer Ultraschall-basierten Analyse der Herzmuskulatur durchgeführt.

 

Bei der Erstuntersuchung wiesen die Übergewichtigen einen signifikant höheren Blutdruck auf als ihre normalgewichtigen Altersgenossen, außerdem war bei ihnen die Muskelmasse der linken Herzkammer deutlich vergrößert. Fazit der Studienautoren:

Eine Gewichtsreduktion führt bei Jugendlichen zu einer Verbesserung der strukturellen und funktionellen Veränderungen des Herzens, die durch das Übergewicht bedingt sind.

Übergewicht-Risiken setzen sich bei Erwachsenen fort – Frühzeitige Intervention sinnvoll

 

Dass sich die durch Übergewicht bedingten Risiken bei Erwachsenen fortsetzen, bestätigt einmal mehr eine kürzlich im European Heart Journal erschienene Studie mit fast 300.000 Teilnehmern. Fazit: Ein erhöhter Body Mass Index steht eindeutig mit einem erhöhten Herz-Kreislauf-Risiko in einem Zusammenhang. Wer seinen BMI zwischen 22 und 23 behält, kann sein Risiko, an einer Herzkrankheit zu leiden oder daran zu sterben, deutlich reduzieren. Ähnliche Ergebnisse brachte auch die Messung des Bauchumfanges: Verglichen mit einem Umfang von 74 und 83 Zentimetern, stieg das Risiko bei Frauen pro 12,6 weitere Zentimeter um zehn Prozent, bei Männern sogar um 16 Prozent pro zusätzlicher 11,4 Zentimeter.

Es ist besonders wichtig, dass Interventionen gegen Fettleibigkeit bereits im Kindesalter ansetzen,

so Prof. Widhalm. „So kann man Folgeerkrankungen am besten vorbeugen, außerdem ist es bei krankhaft übergewichtigen Erwachsenen oft viel schwieriger, eine Verhaltensänderung oder physische Verbesserung zu erreichen."

 

Kennen Sie Ihren Body-Mass-Index? Hier geht's zum BMI-Rechner!

 

Literatur:

 

Winzer et al.: Impact of weight reduction during adolescence on parameters of cardiac geometry and function. European Heart Journal (2017) 38 (Supplement) 710;


Iliodromiti et al.: The impact of confounding on the associations of different adiposity measures with the incidence of cardiovascular disease: a cohort study of 296 535 adults of white European descent. European Heart Journal. doi:10.1093/eurheartj/ehy057;


WHO, Report of the Commission on Ending Childhood Obesity: implementation plan – report by the Secretariat, EB140/30 13 January 2017.

Quelle: Presseaussendung der Österreichischen Ärztekammer

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