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Moderne Verhütungsmethoden

Moderne Verhütungsmethoden

Moderne Verhütungsmethoden

CredoWeb im Interview mit Frauenarzt Dr. med. Joachim Pömer

 

CredoWeb: Bitte geben Sie einen groben Pro- und Contra-Überblick betreffend moderner hormoneller & nicht hormoneller Verhütungsmethoden!

 

Dr. med. Joachim Pömer: Einen groben Überblick in dieser entscheidenden Frage kann man nur schwer geben. Das Thema ist so breit gefächert und reines Zahlenspiel führt oft zu weiteren Unklarheiten.

 

Entscheidend ist neben einer genauen Anamnese und eingehender gynäkologischen Untersuchung zur Bestimmung des adäquaten Verhütungsmittels vor allem eine Orientierungshilfe in Form einer Bewertungsskala für die verschiedenen Verhütungsmethoden.

 

Hierzu dient der Pearl Index.

Er sagt aus, wie viele von 100 Frauen nach einem Jahr schwanger waren, wenn sie ein bestimmtes Verhütungsmittel angewendet hatten. Umso geringer der Zahlenwert des Pearl Index, umso weniger ungewollte Schwangerschaften, also umso besser das Verhütungsmittel. Aber der niedrige Pearl Index allein sagt noch nicht alles aus – denn nur eines ist 100% sicher:

Es gibt keine Verhütungsmethode, die für jeden passt!

 

Frage Frau

 

Am Anfang jedes Verhütungsberatungsgespräches gilt es zu klären, welcher grundsätzliche Wunsch seitens der Patientin besteht. So gibt es derzeit häufig den Wunsch, gänzlich auf hormonelle Varianten zu verzichten.

Zur guten Verhütungsberatung gehört neben der genauen Anamnese, die eingehende Untersuchung inklusive Ultraschall.

Ein Verhütungsmittel zu empfehlen, ohne die genauen Ansprüche zu kennen, welche die Patientin an das Produkt stellt bzw. ob die organischen Voraussetzungen erfüllt sind, wäre unprofessionell und unseriös.

 

Wünschenswert wären nicht hormonelle Verhütungsmethoden, aber am besten auch kein Fremdkörper in der Scheide oder der Gebärmutter.

 

Dieser Wunsch klingt für viele unerfüllbar, wäre aber mit der Kombination aus Temperaturmethode, Viskositätskontrolle des Zervixschleims, also einem eigenständigen Zyklusmonitoring möglich.

 

Kalender

 

Der einzige Haken daran, es braucht aus meiner Sicht einen Zyklus wie ein Uhrwerk, die entsprechende Genauigkeit der Frau und den eisernen Willen rund um den Eisprung jeder Versuchung zu widerstehen. Näheres dazu aber weiter unten.

 

Bleibt man bei den hormonfreien Varianten, so haben wir als Alternativen das Diaphragma (manche sagen auch: das weibliche Kondom), den Coitus interruptus (also Aufpassen), die verschiedenen nicht hormonellen Intrauterinpessare (Spirale, Ball, Kettchen) und das Kondom.

 

Diaphragma:

 

Das Diaphragma sollte durch den Frauenarzt auf die richtige Größe angepasst werden. Der große Nachteil liegt aus meiner Sicht in zwei Punkten.

 

  1. Erstens wird eine Spermizide Creme empfohlen, welche zur Maximierung der Sicherheit zusätzlich in die Scheide eingebracht wird,
  2. zum anderen muss das Diaphragma einige Stunden liegen bleiben, damit der „Spermientöter“ wirken kann. Das könnte zum Lustkiller werden.

lustlos

 

Spiralen & Co


Die nicht hormonellen Kupferspiralen, Kupferbälle und Kettchen liegen derzeit voll im Trend.

 

Es besteht das Bedürfnis von den Hormonen wegzukommen, dennoch möchte man nicht auf den Luxus der sicheren Verhütung verzichten.

Trotzdem ist die Spirale ein Fremdkörper in der Gebärmutter und als solcher auch spürbar, für die eine Frau mehr, für die andere Frau weniger. Aber gerade in diesem Punkt liegt ein wesentliches Kriterium.

Hat eine Frau starke Regelbeschwerden, muss also zum Beispiel 2-3 Schmerztabletten täglich während der Monatsblutung einnehmen um den Alltag zu bewältigen, so ist das nicht hormonelle Pessar definitiv die falsche Wahl.

 

 

Es kann nicht dienlich sein, in ein sich kontrahierendes Organ wie die Gebärmutter, welche zudem Schmerzen bereitet, noch einen Fremdkörper einzubringen.

Bei leichten Regelbeschwerden würde ich aber kein Hindernis für eine Einlage sehen. Eine weitere Nebenwirkung können sogenannte Spottings, also kleinere Schmierblutungen sein, oft nur als bräunlicher Ausfluss bemerkbar.

Wenn jemand aber schon mit einem unregelmäßigen Zyklus kämpft, ist auch hier die Einlage nicht dienlich. Neben der Wahl eines für diese Beschwerden adäquaten alternativen Verhütungsmittels, muss eine Abklärung der Gründe für die Schmerzen bzw. Blutungsunregelmäßigkeiten durch den beratenden Facharzt erfolgen.

 

Ob man nun eine Spirale in T Form, einen Kupferball oder eine Kupferkette einsetzt ist individuell zu entscheiden. Bezogen auf die Sicherheit gibt es keine wesentlichen Unterschiede.

 

Sollte eine Patientin aber an einer hormonellen Verhütung interessiert sein, gibt es auch hier ein breites Spektrum an Produkten.

 

Die Einsteigerverhütung für die meisten war immer die Pille.

 

Daneben gibt es noch folgende hormonelle Verhütungsmethoden:

 

  • Verhütungsring
  • Hormonstäbchen, welches in den Oberarm implantiert wird
  • Hormonspritze (= 3-Montasspritze)
  • Verhütungspflaster
  • Hormonspirale

 

Entscheidend ist auch hier die gute Anamnese. Ist die Patientin Thrombose gefährdet, raucht sie, ist sie übergewichtig usw.

 

Das Verhütungs- bzw. Hormonpflaster vereint Sicherheit mit guter Zyklusstabilität, Blutungsprobleme sind hier selten.

Der Nachteil ist das Pflaster selbst. Manche Patientinnen beklagen, dass sich das Hormonpflaster aufrollt und mit der Zeit schmutzig aussieht, genauso wie ein herkömmliches Wundpflaster.

Das Hormonstäbchen bringt hohe Sicherheit, das Einsetzen unter die Haut des Oberarms funktioniert mit einem kleinen Abschussmechanismus und ist in der Regel nicht besonders schmerzvoll. Die Entfernung kann unter Umständen aber schwieriger sein, da das Implantat unter der Haut wandern kann. Dies kommt aber nur selten vor.

 

Der Verhütungs- bzw. Vaginalring wird, wie der Name schon sagt, in die Scheide eingelegt, wo er sich unkompliziert platzieren lässt.

Stört dieses östrogen- und gestagen-haltige Produkt die Anwenderin oder den Partner beim Sex, so kann dieser für einige Stunden entfernt werden. Setzt man ihn später wieder ein, so verspricht man dennoch adäquaten Schutz. Die mir gegenüber geäußert häufigste aber insgesamt dennoch seltene Nebenwirkung ist die Scheidentrockenheit mit Libidoverlust.

 

Mit der Pille hatten die meisten Frauen den Erstkontakt mit einer Verhütungsmethode.

Neben den kombinierten Östrogen und Gestagenpillen sei die reine Gestagenpille genannt, nach der aufgrund der vermeintlich geringeren Gesundheitsrisiken häufig gefragt wird.

Entscheidend bei dieser Pille ist der genaue Einnahmerhythmus.

Im Gegensatz zu den Östrogenhaltigen Pillen gibt es hier kein Zeitfenster von 12h, in dem man abhängig vom Zykluszeitpunkt eine vergessene Pille nachnehmen kann. Vor allem stillende Frauen fragen nach der Gestagen oder Minipille, da Gestagene während der Stillphase die Muttermilchproduktion im Gegensatz zu den Östrogenpillen nicht negativ beeinflussen.

 

Pille

 

Alternativen für stillende Mütter wären zum Beispiel die Kupferpessare, das Kondom oder die 3-Monatsspritze.

 

Des Weiteren kann die hormonelle Verhütung für Frauen mit Endometriose die einzige Therapie sein, selbst wenn der Verhütungsschutz nicht im Mittelpunkt stehen würde.

 

CredoWeb: Thema Antibabypille: Was hat sich in den letzten Jahren geändert, da die Pille doch mit einigen Gesundheitsrisiken verbunden wurde?

 

Dr. med. Joachim Pömer: Am häufigsten wurde die Pille mit Gewichtsschwankungen, Stimmungsschwankungen und Thrombosen in Verbindung gebracht.

Vom derzeitigen Wissensstand kann die Pille nach entsprechendem Ausschluss von belastenden Faktoren durch eine gute Anamnese beruhigt eingesetzt werden.

 

Wird die Pille aber verschrieben, ohne dass nach Thrombosen (Gefäßverschlüssen) in der Familie oder der Eigenanamnese, nach den Rauchgewohnheiten, dem Hautbild, dem Zyklus usw. gefragt wird, dann wäre dies wie gesagt unprofessionell.

 

Die Pille bringt für die Anwenderin den Vorteil, dass eine monatliche Blutung einsetzt und so ein gutes und frühes Monitoring bezüglich einer möglichen Schwangerschaft besteht.

 

Dass die Blutung in der Pillenpause nichts mit der normalen Zyklusblutung zu tun hat, führt aber oft zu Verwunderung. Es handelt sich um eine reine Hormonentzugsblutung. Die durch die Pille sozusagen simulierte Schwangerschaft hört für den Körper auf zu bestehen und es kommt zum Abblutung der nicht mehr benötigten Schleimhaut.

Dennoch bin ich froh die Pille verschreiben zu können, ist sie doch gut steuerbar und die verschiedenen Inhaltsstoffe so flexibel, dass man auf verschiedenste Bedürfnisse Rücksicht nehmen kann.

 

Verschreibt man die Pille zum Beispiel wegen einer Endometriose, so kann man zumindest in Oberösterreich um Kostenersatz ansuchen, da in diesem Fall die Pille auch ein Therapeutikum darstellt.

 

CredoWeb: Wie sicher sind eigentlich Kondome?

 

Dr. med. Joachim Pömer: Kondome werden mit einem Pearl Index von 5-14 angegeben.

 

Allerdings variiert hier der praktische Pearl Index sehr vom theoretischen Pearl Index. Der theoretische PI wird in der Bewerbung des Kondoms angegeben und liegt dann sogar im niedrig einstelligen Bereich.

 

Hier wird die Wahrscheinlichkeit eines Verhütungserfolges sozusagen in Idealbedingungen gemessen. Die Realität sieht oft anders aus. In einer österreichischen Studie wurden Pärchen bei ungewollter Schwangerschaft zur Verhütung befragt. Immerhin gaben nur 37% an nicht zu verhüten; die übrigen Pärchen scheiterten also dementsprechend mit ihrer gewählten Verhütungsmethode.

 

Wurde mit Kondom verhütet, wurden die Männer auch gefragt, wie man sich das Versagen der Verhütungsmethode erklären würde.

Neben Kondomplatzern, Kondom zu klein, Kondom zu trocken, kein Kondom dabei, kamen auch Erklärungen wie falsch übergezogen oder zu spät übergezogen.

Ein Drittel der Männer gab an, schon Probleme mit Kondomen gehabt zu haben.

Kondom

 

Kondome haben ihre absolute Berechtigung im Angebot der Verhütungsmittel, gerade auch im Hinblick als einzige Variante zum Schutz vor Geschlechtskrankheiten. 

 

 

Entscheidend ist aber, dass auch beim Kondom kein Anwendungsfehler passiert!

Man geht davon aus, dass ein Kondom selbsterklärend sei. Jeder, der sein erstes Kondom ausgepackt hat weiß aber, dass spätestens dann das große Grübeln beginnt, in welche Seite es man wohl ausrollen müsse. Hierin besteht auch einer der größten Anwenderfehler.

 

Meist ist man mitten im Vorspiel, wenn man zur Entscheidung kommt den nächsten Schritt zu wagen und dabei hoffentlich an die Verhütung denkt. Dann kann es beim Mann durch die Erregung auch zu einer Art „Vorejakulation“ kommen. Es befindet sich dann gelegentlich ein Samen enthaltender „Lusttropfen“ im Bereich der Harnröhre.

 

Setzt man das Kondom nun vorher falsch auf, kann es sein, dass Spermien so ungehindert in die Scheide gelangen.

 

CredoWeb: Wie sicher sind sogenannte „natürliche“ Verhütungsmittel wie die „Temperaturmethode“ oder die Empfängnisverhütung mithilfe des Ovulationskalenders?

 

Dr. med. Joachim Pömer: Wie schon weiter oben erwähnt, bin ich ein absoluter Fan dieser Methoden.

 

Voraussetzung ist aber eine Untersuchung beim Facharzt und ein wirklich exakter Zyklus.

Ist dies nicht gegeben, dann wird es sehr spannend zu Beginn jedes Monats. Und ob dieser Stress dann die Natürlichkeit rechtfertigen würde wage ich zu bezweifeln.

 

Schwangerschaftstest

 

Ich erlebe immer wieder, dass die technischen Hilfsmittel (Zykluscomputer) nach einiger Zeit nicht mehr benötigt werden, da die eigene Körperwahrnehmung immens ansteigt.

Der Eisprung wird gespürt, auch seitenbezogen und so kann man die fruchtbarsten Tage, welche eben rund um den Eisprung zu finden sind, selbst erkennen. In dieser Steigerung des Körperbewusstseins sehe ich den größten Vorteil dieser Methoden.

 

Freude

 

Entsprechende Zykluscomputer zur Unterstützung der Anwenderin brauchen einige Monate um die weiblichen Hormonschwankungen bzw. Temperaturschwankungen zu erkennen.

In dieser Zeit sollte man mit Kondom verhüten. Nach der Anlernphase verspricht der Computer die fruchtbaren Tage suffizient zu erkennen.

 

Ideal scheint mir diese Methode für Frauen, die in den Kinderwunsch hineingleiten wollen. So kann man den eigenen Körper perfekt kennen lernen. Gelegentlich kommt es nämlich nach hormonellen Verhütungsmethoden zu Zyklusunregelmäßigkeiten.

 

Will man von einer hormonellen Verhütung sofort auf eine gewünschte Schwangerschaft umsteigen, so können genau diese Unregelmäßigkeiten zu massiven Unsicherheiten führen. Gerade hier kann eine geplante Phase zum wieder Erlernen des eigenen Körpers, ohne den Anspruch einer unbedingten Schwangerschaft, sehr hilfreich sein.

 

 

Interview: Christina Neumayer/CredoWeb

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