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Fortschritte bei der Behandlung Lungenkarzinomen

Fortschritte bei der Behandlung Lungenkarzinomen

Drei neue wissenschaftliche Studien von Wiener Wissenschaftern belegen deutliche Fortschritte der Medizin bei der medikamentösen Behandlung von Patienten mit einer bestimmten Form nicht mehr operabler Lungenkarzinome. Bei Kranken mit sogenannten EGFR-mutierten Tumoren lässt sich durch einen Wechsel der verwendeten spezifisch wirksamen Medikamente die Dauer des Ansprechens verdoppeln.

Etwa 15 Prozent der Patienten mit nicht-kleinzelligem Lungenkarzinom haben ein EGFR-mutiertes Karzinom. In Asien sind es bis die Hälfte der Betroffenen,

sagte Maximilian Hochmair, auf Lungenkrebs spezialisierter Onkologe am Otto Wagner Spital (KAV) in Wien, gegenüber der APA.

 

Für diese Patienten gibt es mittlerweile mehrere zielgerichtete Medikamente, die nur bei dieser Form der Erkrankung wirken. EGFR-mutiert bedeutet, dass die Tumorzellen an ihrer Oberfläche vermehrt Rezeptoren für den EGF-Wachstumsfaktor bilden und so mehr Wachstumsimpulse an den Zellkern senden. Das macht die Erkrankung aggressiver. Die spezifisch wirkenden Medikamente (z.B. Gefitinib, Erlotinib, Afatinib, Osimertinib etc.) blockieren im Inneren der Tumorzellen als sogenannte Tyrosin-Kinase-Hemmer die Signalübertragung dieser Impulse und somit das Zellwachstum.

 

Das Problem liegt aber darin, dass - egal welches der Medikamente zunächst verwendet wird - die Entstehung "einer erworbenen Resistenz gegenüber der Behandlung unausweichlich" ist, wie Hochmair und ein internationales Studienteam (auch aus Kanada, Israel, Italien, Japan, Singapur, Slowenien, Spanien, Taiwan und den USA) in ihrer Beobachtungsstudie in "Future Oncology" feststellten. Die meisten dieser Resistenzen der Lungenkarzinomzellen gegen die Onkologika beruhen auf einer bestimmten Mutation (T790M). Neuere Substanzen (z.B. Osimertinib) sollen auch dann noch wirken. Die Frage war, ob man sie sofort oder erst nach Verlust der Wirksamkeit durch Entstehen der T790M-Mutanten infolge des Selektionsdruckes unter der Behandlung mit einem ersten zielgerichteten Medikament einsetzen sollte.

 

Die Antwort darauf könnten zwei der Studien ergeben: In einer wissenschaftlichen Untersuchung von Hochmair und anderen Wiener Wissenschaftern, zum Beispiel Anna Buder und Martin Filipits vom Institut für Krebsforschung der MedUni Wien (online publiziert in "Targeted Oncology" im Dezember 2018), erhielten 67 Patienten mit EGFR-mutiertem Lungenkarzinom zunächst eine Behandlung mit dem spezifisch wirksamen Tyrosin-Kinase-Hemmer Afatinib. Wenn Zeichen einer auftretenden Resistenz durch T790M vorhanden waren, wurde durchschnittlich binnen 16 Tagen auf das auch dann noch wirksame Medikament Osimertinib gewechselt.

 

Insgesamt hatten 92,5 Prozent aller Patienten auf die Ersttherapie mit Afatinib angesprochen. Bei 19,4 Prozent war das Karzinom verschwunden, bei 73,1 Prozent geschrumpft, bei drei Prozent war die Erkrankung zunächst stabil geblieben. Im Mittel wurde eine Wirkung etwa 13 Monate lang festgestellt, bis Resistenz auftrat.

 

Die genetischen Veränderungen der Karzinome wurden von den Wissenschaftern im Rahmen der Studie durch sogenannte Liquid Biopsy verfolgt. Dabei sucht man in Blutproben nach Tumor-DNA und analysiert sie.


Das ist viel weniger belastend als Gewebebiopsien und prinzipiell jederzeit wiederholbar. In der wissenschaftlichen Studie aus Wien zeigte sich auch, dass die Ergebnisse aus der "Flüssig-Biopsie" faktisch genauso aussagekräftig sind wie aus Biopsien.


Onkologe Maximilian Hochmair sagte: "Bei 49 der Patienten wurde schließlich eine T790M-Genveränderung der Tumorzellen festgestellt. Das war somit bei 73,1 Prozent der Gesamtgruppe der Fall. Sie erhielten deshalb eine weitere Therapie mit Osimertinib." Damit stellten sich de facto wiederum ähnliche Resultate wie in der Erstbehandlung mit Afatinib ein: Bei 22,4 Prozent kam es zu einem kompletten Ansprechen auf die Therapie, bei weiteren 53,1 Prozent zu einem teilweisen Ansprechen.


"Das erlaubt eine verlängerte medikamentöse Behandlung ohne Verwendung von Chemotherapeutika", sagte Hochmair. Die Untersuchung auf die T790M-Genveränderung lässt sich - wie in einer dritten Studie dazu mit mehreren österreichischen Studienzentren nachgewiesen wurde - wahrscheinlich zu 70 Prozent per Blutuntersuchung allein nachweisen. Das könnte einem hohen Anteil der Patienten Biopsien ersparen.


Wie stark sich die Behandlungsmöglichkeiten bei sonst inkurablem nicht-kleinzelligen Lungenkarzinom mit EGFR-Mutation durch die auf einander folgende medikamentöse Therapie mit zielgerichteten Arzneimitteln verbessern, lässt sich aus der internationalen Beobachtungsstudie in "Future Oncology" ablesen: Median (die Hälfte der Betroffenen darüber, die andere Hälfte darunter) konnten die Patienten insgesamt knapp 28 Monate lang behandelt werden, bevor eine Chemotherapie in Aussicht genommen werden musste. Bei den aus Asien (z.B. Taiwan, Singapur) stammenden Patienten wirkten die Medikamente im Mittel sogar fast 47 Monate lang. Für die Gesamtgruppe der Patienten wurde mit der ersten Therapie mit dem Wirkstoff Afatinib eine mittlere Behandlungsdauer von 11,9 Monaten registriert. Daran schloss sich eine wirksame Therapie mit Osimertinib von weiteren rund 14 Monaten an. Solche Behandlungsergebnisse wären noch vor wenigen Jahren kaum denkbar gewesen.


Trotz dieser Teilerfolge sieht die Situation beim zu 85 bis 90 Prozent durch das Rauchen bedingten Lungenkarzinom in Österreich und international ausgesprochen bedenklich aus. Bei 1,8 Millionen Menschen weltweit wird derzeit pro Jahr ein Lungenkarzinom festgestellt. 1,6 Millionen Patienten sterben pro Jahr. Die Fünf-Jahres-Überlebensrate beträgt nur 15 Prozent.

Nichtraucherschutz ist elementar,

sagte Hochmair vergangenes Jahr.


Die Daten der Statistik Austria belegen die Problematik: 1990 wurden in Österreich 3.471 Lungenkrebs-Neuerkrankungen registriert (2.598 bei Männern, 873 bei Frauen). 2009 waren es bereits 4.360 dieser zumeist tödlich verlaufenden Erkrankungen (2.829 männliche Patienten, 1.531 Frauen). Im Jahr 2020 werden in Österreich laut den Berechnungen der Gesundheitsstatistiker 5.224 Österreicher an einem Lungenkarzinom erkranken (2.948 Männer und 2.277 Frauen). Im Jahr 2030 wird es 6.166 Lungenkrebs-Neuerkrankungen geben: 2.958 bei Männern, die Frauen werden mit 3.208 Neuerkrankungen die Männer bereits überholt haben. Nach wie vor werden auch in Österreich 50 Prozent der Lungenkarzinome erst in einem unheilbaren Stadium diagnostiziert.

Quelle: APA

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