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Medizinisches Cannabis: Nachfrage in Deutschland stark gestiegen

Medizinisches Cannabis: Nachfrage in Deutschland stark gestiegen

Wo "Hanf" oder "Cannabis" aufs Tapet kommen, ist für Schlagzeilen gesorgt. Seit dem 10. März 2017 können sich Patienten in Deutschland medizinisches Cannabis regulär beim Arzt verschreiben lassen. Die Krankenkassen zahlen, die Nachfrage ist gestiegen. An wissenschaftlichen Zweifeln zu dem Boom hat sich nichts geändert.

Cannabis als Arzneimittel

Wie Cannabis wirkt, ist schon lange bekannt. Es kann etwa Spastiken (Lähmungserscheinungen) bei Multipler Sklerose oder chronische Schmerzen lindern. Die wissenschaftlichen Nachweise sind aber relativ dünn - so zum Beispiel bei der Behandlung von Übelkeit und Erbrechen nach Chemotherapien oder beim Tourette-Syndrom (Tics).

 

Bis zur Liberalisierung war medizinisches Cannabis in Deutschland eine Nische, nur rund 1.000 Kranke hatten eine Ausnahmegenehmigung. Mit dem Wegfall der Hürden stieg die Nachfrage rasant. 2018 gaben die Apotheken rund 145.000 Einheiten cannabishaltiger Zubereitungen und unverarbeiteter Blüten auf Basis von etwa 95.000 Rezepten auf Kosten der gesetzlichen Krankenversicherung ab. Das sind mehr als dreimal so viele wie in den knapp zehn Monaten 2017 von der Freigabe im März bis zum Jahresende. Zusätzlich wurden 2018 gut 53.000 Packungen Fertigarzneien mit Cannabis-Stoffen abgegeben, ein Plus von einem Drittel.

 

Seit zwei Jahren können Patienten in Deutschland Cannabis auf Rezept bekommen.

Verwendung von Cannabis als Medizin: viele offene Fragen

Wichtige Fragen blieben in Deutschland offen, wie die deutschen Krankenkassen betonen. So sind die Diagnosen, bei welchen Cannabis verordnet werden darf, offenbar nicht genau umrissen. So inhalieren Patienten Cannabisblüten mittlerweile bei vielen Erkrankungen, etwa gegen Depressionen oder Schmerzen bei Multipler Sklerose. Doch eine klare Indikation für die Anwendung von Blüten gibt es nicht.

 

Gelten für Medikamente üblicherweise hohe Zulassungshürden, wurde Cannabis einfach zur Verordnung erlaubt, während der deutsche Gesetzgeber die Wirksamkeit noch begleitend erforschen lässt. Das ruft Kritiker auf den Plan. Die medizinische Anwendung von Cannabis sei zwar seit mehr als 4.700 Jahren bekannt, heißt es in einem Fachbeitrag der Barmer Krankenversicherung, "ist aber in vielerlei Hinsicht auch auf einem vorwissenschaftlichen Stand stehen geblieben."

Das Milliardengeschäft mit Cannabis

Die Nachfrage nach
medizinischem Cannabis
steigt weltweit weiter an.

Der Boom ist weltweit ein Milliardengeschäft für die Cannabis-Züchter. Das deutsche Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte hat den Anbau von 10,4 Tonnen Medizin-Cannabis an Firmen ausgeschrieben. Das ist deutlich mehr als zunächst geplant (6,6 Tonnen). Klagen gegen Vergaberegeln führen zu Verzögerungen. Davon profitieren Exporteure aus den Niederlanden und Kanada, die Cannabis nach Deutschland bringen. Der kanadische Konzern Tilray etwa erklärte vor kurzem, Cannabisblüten ab sofort allen deutschen Apotheken zur Verfügung stellen. Und der Anbieter Nuuvera sieht ein Potenzial von Hunderttausenden Hanf-Patienten in Deutschland.

 

Israel hat den Cannabis-Export vor kurzem genehmigt. Das Land will sich einen Vorsprung sichern: 200 klinische Studien laufen dort. Medizin-Hanf hat in Israel lange Tradition.

 

| Dass die Wirkstoffe von Cannabis - THC und CBD - Schmerzen lindern und Krämpfe lösen können, fand der israelische Wissenschaftler Raphael Mechoulam schon 1964 heraus. |

 

Dadi Segal, Chef des israelischen Pharmaunternehmens Panaxia, rechnet mit großem Bedarf. "Wir produzieren 50.000 Produkte pro Monat, im Safe liegen drei Tonnen Cannabis, und wir sind bereit für mehr." Sollte die Nachfrage aus dem Ausland steigen, könne Panaxia, einer der größten Produzenten Israels, in drei Tagesschichten arbeiten. Der deutsche Markt sei sehr interessant, sagte Segal. "Wir sind mit mehreren Firmen im Gespräch, die an medizinischem Cannabis aus Israel interessiert wären."

 

| Mehr zum Thema: Cannabinoide in der ärztlichen Praxis: Dr. med. univ. Kurt Blaas im Video |

Quelle: APA / dpa / redaktionelle Bearbeitung: Simona Ganeva

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