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Behandlung akuter schwerer Schlaganfälle: Zeitfenster für Thrombektomie ist größer geworden

Behandlung akuter schwerer Schlaganfälle: Zeitfenster für Thrombektomie ist größer geworden

PK zur 16. Jahrestagung der Österreichischen Gesellschaft für Neurologie (20.-22. 3. 2019, Eisenstadt) - Statement Prim. Priv.-Doz. Dr. Dimitre Staykov, Leiter der Abteilung Neurologie, Barmherzige Brüder Krankenhaus Eisenstadt; Mitglied des Tagungspräsidiums der 16. Jahrestagung der Österreichischen Gesellschaft für Neurologie (ÖGN)

 

Zur Behandlung akuter schwerer Schlaganfälle mit nachweisbarem Gefäßverschluss hat sich in den letzten Jahren die Thrombektomie durchgesetzt. Bei dieser sehr schonenden Methode zur Entfernung eines Blutgerinnsels wird ein Katheder über die Leiste in das betroffene Gefäß im Gehirn eingeführt. Mit einem Stent-Retriver, einer Art Maschendraht, wird der Thrombus erfasst und entfernt. Mehrere große Studien haben gezeigt, dass diese Methode sehr effektiv ist, um rasch die großen Gefäßverschlüsse bei schweren Schlaganfällen zu öffnen und somit Patientinnen und Patienten vor schwerwiegenden gesundheitlichen Schäden zu bewahren.

Ausweitung des therapeutischen Zeitfensters: Thrombektomie bei schweren Schlaganfällen länger nach Symptombeginn wirksam

Rund zehn Prozent der jährlich 24.000 Patientinnen und Patienten, die in Österreich von einem ischämischen Schlaganfall betroffen sind, weisen einen Gefäßverschluss einer großen hirnversorgenden Arterie auf und können mit der Thrombektomie behandelt werden. Vor allem für Menschen mit schweren Schlaganfällen ist sie das Mittel erster Wahl, weil Thromben, die länger als acht Millimeter sind, sich nicht mehr medikamentös mittels intravenöser Thrombolyse ausreichend auflösen lassen.

 

Vor Kurzem brachten zwei Studien neue Erkenntnisse zur Thrombektomie mit großen Auswirkungen auf die Praxis: Das Zeitfenster, innerhalb dessen Thrombektomien durchgeführt werden können, ist größer als bisher angenommen. Das bedeutete eine Ausweitung des Behandlungszeitfensters für diejenigen PatientInnen, die bestimmten Auswahlkriterien entsprechen. Somit können mehr PatientInnen als bisher von der Thrombektomie profitieren. Die neuen Erkenntnisse haben bereits Eingang in die US-amerikanischen und europäischen Leitlinien zur Schlaganfallbehandlung gefunden.

DEFUSE III-Studie und DAWN-Studie

Die DEFUSE III-Studie untersuchte die Wirksamkeit der Thrombektomie an PatientInnen, bei denen der Schlaganfall vor sechs bis 16 Stunden stattgefunden hatte, bei den PatientInnen der DAWN-Studie lag er sogar bis zu 24 Stunden zurück. Beide Studien kamen zu dem Ergebnis, dass bestimmte Patienten mit schweren Schlaganfällen auch nach relativ langer Zeit von der Thrombektomie profitieren. Entscheidend ist dabei die Gefäßanatomie der PatientInnen und das Vorliegen von Umgehungskreisläufen. Bei manchen PatientInnen, die schwere Schlaganfallsymptome zeigen, liegt zwar nur ein kleiner Infarkt vor, dieser ist aber mit einem großen, minder durchbluteten Hirnareal verbunden. Für dieses bedrohte Gewebe besteht die Gefahr, dass es abstirbt und zum Infarkt wird, aber es ist noch zu retten.

MRT oder spezielles CT zeigen, bei welchen PatientInnen Thrombektomie infrage kommt

Das Vorliegen eines von der Ischämie gefährdeten, aber noch potentiell zu rettenden Hirngewebeareals lässt sich durch bildgebende Verfahren wie MRT oder ein spezielles CT darstellen.

Neu ist, dass wir so PatientInnen erkennen können, die innerhalb eines größeren Zeitfensters noch wirksam mit der Thrombektomie behandelt werden können.

Nach neueren Hochrechnungen könnten zusätzliche ein bis vier Prozent aller SchlaganfallpatientInnen von dieser Therapieoption profitieren. Daten aus den Subanalysen dieser Studien legen sogar nahe, dass bei PatientInnen mit günstigen Behandlungsprofilen noch über die 24 Stunden hinaus eine Thrombektomie möglich und sinnvoll ist.

 

Unverändert gilt für die Behandlung des akuten Schlaganfalls: Zeit ist Hirn. Trotz der Ausweitung der Zeitgrenzen bei bestimmten Patienten ist bei jedem Schlaganfall eine möglichst rasche Behandlung entscheidend, um gesundheitsbeeinträchtigende Folgen zu vermeiden.

Engmaschiges Versorgungsnetz

Damit PatientInnen möglichst rasch zur Thrombektomie kommen, ist ein engmaschiges Netz von Schlaganfalls-Versorgungseinrichtungen erforderlich.

Bei der Qualität der Schlaganfallversorgung zählt Österreich zu den fünf besten Ländern in Europa, zeigt eine Studie (ESO ESMINT EAN SAFE Survey).

Sowohl bei der Thrombolyse als auch bei den Thrombektomien liegen wir im Spitzenfeld. Dass hängt u. a. mit dem dichten Netz von Schlaganfalleinheiten zusammen, welches flächendeckend das gesamte Bundesgebiet abdeckt.

 

Quellen:

Albers G.W. et al. Thrombectomy for Stroke at 6 to 16 Hours with Selection by Perfusion Imaging. N Engl J Med 2018; 378:708-18;

Raul G. Nogueira, M.D et al. Thrombectomy 6 to 24 Hours after Stroke with a Mismatch between Deficit and Infarct. N Engl J Med 2018; 378:11-21.

Quelle: Presseinformation zur 16. Jahrestagung der Österreichischen Gesellschaft für Neurologie / B&K – Bettschart&Kofler Kommunikationsberatung

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