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20 Jahre Österreichische Palliativgesellschaft: Viele Verbesserungen in der Betreuung schwer kranker Menschen

20 Jahre Österreichische Palliativgesellschaft: Viele Verbesserungen in der Betreuung schwer kranker Menschen

Defizite bei der flächendeckenden Versorgung

Die Österreichische Palliativgesellschaft (OPG) zieht Bilanz über 20 Jahre Engagement für Menschen in der letzten Lebensphase und fordert flächendeckende Palliativversorgung mit gesicherter Finanzierung. Beim 7. Österreichischen Interprofessionellen Palliativkongress in Innsbruck behandelt die OPG Zukunftsthemen rund um Palliative Care – und stellt das Konzept der „Sorge“ in den Mittelpunkt.

 

Rückblick und vorausschauende Planung zum Erfolgskonzept Palliativmedizin: Vor 20 Jahren wurde in Wien die Österreichische Palliativgesellschaft (OPG) gegründet und setzt sich seither für eine optimale Versorgung von schwer kranken Menschen in der letzten Lebensphase ein. Und vom 28. bis 30. März findet unter dem Motto „Palliative Care - Wege in die Zukunft“ in Innsbruck der 7. Österreichische Interprofessionelle Palliativkongress statt.

 

Welche positiven Entwicklungen gab es bisher und wie muss sich die Palliativversorgung weiterentwickeln? „Bereits im Jahr 2004, also fünf Jahre nach der Gründung der OPG, konnten wir erreichen, dass ein Konzept für die bundesweite abgestufte Palliativversorgung fertig gestellt wurde und in die verbindliche Gesundheitsplanung einging. Das war ein großer gesundheitspolitscher Erfolg“, berichtet Prim. Univ.-Prof. Dr. Rudolf Likar, MSc, Präsident der OPG und Leiter der Abteilungen für Anästhesie und Intensivmedizin am Klinikum Klagenfurt und am LKH Wolfsberg.

Sterbehilfe. Kein Grund für Änderung der Gesetzeslage

Dass es in Österreich nie ernsthaft politischen Druck für eine Legalisierung von assistiertem Suizid oder Euthanasie gegeben hat, sei eines der wesentlichen Verdienste der OPG und der gesamten Palliativ- und Hospizbewegung.

Studien zeigen, dass Patientinnen und Patienten, die in einem palliativen Setting gut versorgt sind, fast nie den Wunsch nach Sterbehilfe äußern. Abgesehen davon verbessert eine gute Palliativversorgung ihre Lebensqualität massiv und wirkt in vielen Fällen sogar lebensverlängernd,

betont Prof. Likar.

 

Es sei daher sicherzustellen, dass Palliative Care in Österreich für alle Menschen verfügbar ist, die sie benötigen. Hier sieht der OPG-Präsident noch Handlungsbedarf: „Wir sollten ein ‚Advanced Care Planning‘ nach deutschem Modell etablieren, das heißt eine frühzeitige Klärung der Wünsche der Betroffenen an ihre palliative Betreuung“, fordert Prof. Likar.

90 Prozent der Palliativpatienten möchten daheim sterben

Rund 90 Prozent der Palliativpatientinnen und -patienten möchten ihren letzten Lebensabschnitt zu Hause verbringen. Doch nach Abschaffung des Pflegeregresses gibt es einen finanziellen Anreiz, pflegebedürftige Angehörige in einem Heim unterzubringen. „Bei der Pflegeregressabschaffung hat man vergessen, die Strukturen im niedergelassenen Bereich zu stärken. Die Heime sind voll und können aussuchen, wen sie aufnehmen“, sagt OPG-Präsident Likar. So kann es zwei bis drei Monate dauern, bis ein Palliativpatient in einem Pflegeheim untergebracht werden kann.

 

Mit verstärkter Aufklärung soll in Zukunft besser vermieden werden, dass schwerkranke Palliativpatientinnen und -patienten in ihrer allerletzten Lebensphase mit Notarzteinsatz ins Krankenhaus gebracht werden, um hier zu sterben.

 

Prof. Likar:

Wir müssen auch den Angehörigen vermitteln, dass sie nichts falsch machen können. Wenn sie schwerkranke Patienten mit nach Hause nehmen, erfüllen sie deren letzten Wunsch.

Kongress „Palliative Care – Wege in die Zukunft“ stellt „Sorge“ in den Mittelpunkt

Der 7. Österreichische Interprofessionelle Palliativkongress „Palliative Care – Wege in die Zukunft“, der vom 28. bis 30. März 2019 in Innsbruck stattfindet, stellt Kultur, Ethik und Praxis der Sorge ins Zentrum – wobei Sorge im Sinne von „care“ verstanden wird, also dem aktiven Engagement für Menschen, die Unterstützung brauchen. „Vieles, was zur Sorge gehört, lässt sich nicht ausreichend betriebswirtschaftlich darstellen“, erklärt Dr. Elisabeth Medicus MAS, Mitglied des Kongresspräsidiums und ärztliche Leiterin der Tiroler Hospiz-Gemeinschaft. „Somit hat die Sorge Legitimationsprobleme angesichts von Sparzwängen, Rationalisierungstendenzen und Stellenplänen, die auf die Minute kalkuliert sind. Mit dem Kongress wollen wir in Erinnerung rufen, dass die wesentlichen Werte der Sorge zukunftweisend sind.“

 

Die Eröffnungsrede hält der deutsche Arzt, Philosoph und Bioethiker Prof. Giovanni Maio: Er vertritt die Meinung, dass Palliative Care einen wichtigen Impuls gegen die reduktionistischen Tendenzen in der Medizin geben kann. Für die interessierte Öffentlichkeit hält der frühere OPG-Präsident Dr. Harald Retschitzegger am Kongress den Vortrag „Lieben bis zuletzt“. Außerdem findet ein Symposium für ehrenamtliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zur Zukunft des Ehrenamtes in der Hospizbetreuung statt. Insgesamt ist das Interesse am Kongress groß: Für den Hauptkongress sind mehr als 950 Personen angemeldet, für das Symposium für Ehrenamtliche 260 Personen.

Palliativmedizin in der ärztliche Ausbildung deutlich aufgewertet

Die Palliativmedizin erhält auf Betreiben der OPG einen neuen Stellenwert, beginnend bei der Ausbildung, wie Univ.-Prof. Dr. Herbert Watzke, 1. Vizepräsident der OPG und Leiter der Universitätsklinik für Innere Medizin I und der Klinischen Abteilung für Palliativmedizin, AKH/MedUni Wien, berichtet:

Palliativmedizin ist inzwischen in den Lehrplänen aller Medizinuniversitäten und Fakultäten verankert.

Auch in der postpromotionellen Ärzteausbildung spielt Palliativmedizin eine größere Rolle als bisher. „Die Ärzteausbildung wurde 2017 insgesamt neu aufgesetzt. Mit Unterstützung der Ärztekammer und des Gesundheitsministeriums konnten wir dabei erreichen, dass sich Palliativmedizin in allen fachärztlichen Ausbildungen findet“, so Prof. Watzke.

 

Mit dieser Qualifikation kann in Zukunft dem Großteil der Palliativpatientinnen und -patienten eine gute Grundversorgung ermöglicht werden, sei es im Spital, im Pflegeheim oder zu Hause. Seit der Neuordnung des Ärzteausbildungsgesetzes können sich Ärztinnen und Ärzte nach der fachärztlichen Ausbildung auch in Palliativmedizin spezialisieren und sind dann befähigt, in komplexen palliativen Situationen zu helfen. Als wichtigen Durchbruch wertet Prof. Watzke zudem, dass 2017 im Österreichischen Strukturplan Gesundheit (ÖSG) die Palliativstationen ausdrücklich aufgenommen wurden. Deutlich wurde definiert, welche Qualifikation das Personal mitbringen muss und wie der Bedarf an palliativen Spitalsbetten, mobilen Palliativdiensten und Konsiliardiensten aussieht.

Der ÖSG ist verbindlich, die geplante Versorgung soll also tatsächlich entlang dieses Plans wachsen, doch es fehlt an Dynamik. Es gibt immer noch viel zu wenige Hospize,

kritisiert Prof. Watzke.

Erhöhten palliativen Bedarf frühzeitig erkennen und Krisen verhindern

Auch in der Pflege konnte die OPG positive Veränderungen erreichen, berichtet Hilde Kössler, MMSc, 2. Vizepräsidentin der  OPG, Lehrbeauftragte für Palliativpflege an der FH Wiener Neustadt und am Vinzentinum Wien:

Noch bis 2021 findet eine weitgehende Neuordnung der Pflegeberufe statt, zusätzlich wurden postgraduale Spezialisierungen beschlossen – nach Stellungnahmen der OPG erfreulicherweise auch eine in Hospiz- und Palliativversorgung.

Die OPG hat Vorschläge für einen abgestuften postgradualen Fort- und Weiterbildungsplan für die Diplomierte Gesundheits- und Krankenpflege erarbeitet und Qualifikationsprofile für die Spezialisierung in Hospiz- und Palliativversorgung definiert. „Es ist sehr wichtig, dass die OPG als Fachgesellschaft diese Entwicklungsprozesse begleitet und beeinflusst. Im Idealfall werden Menschen mit hohem Palliativbedarf in der Grundversorgung rechtzeitig erkannt und dann sofort Spezialisten zugezogen“, unterstreicht Hilde Kössler.

 

Doch in der Praxis schaut es leider anders aus: Häufig werden die Menschen erst in der Sterbephase an die Palliative Care übergeben. Dabei profitierten die Betroffenen von einer früh einsetzenden palliativen Begleitung, so die Expertin, viele krisenhafte Situationen blieben ihnen und ihren Familien erspart. Auch die restlichen 80 Prozent der Patienten, die keine komplexe palliative Situation haben, sollen sich auf eine fundierte, umfassende Grundversorgung verlassen können.

Daher wird es hochklassige, interprofessionelle Fort- und Weiterbildungsangebote geben müssen,

so die OPG-Vizepräsidentin.

Quelle: Pressemeldung zur Pressekonferenz der OPG , 26.3.2019, Wien / B&K – Bettschart&Kofler Kommunikationsberatung

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