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Die wichtigsten Fakten zu Pränataldiagnostik

Die wichtigsten Fakten zu Pränataldiagnostik

CredoWeb im Interview mit Expertin & Fachärztin für Gynäkologie & Geburtshilfe Dr. med. Daniela Zettel aus Graz

CredoWeb: Was versteht man eigentlich unter Pränataldiagnostik?

 

Dr. med. Daniela Zettel: Die Pränataldiagnostik (PND) ist ein Teilgebiet der Medizin, das sich in den vergangenen Jahren fortschrittlich entwickelt hat und nach wie vor einem großen Wandel unterliegt.

             

Ganz allgemein kann man sich darunter eine vorgeburtliche Untersuchung am Feten und der schwangeren Frau vorstellen, die primär nicht invasiv, sondern von außen mittels Ultraschall erfolgt.

Ultraschall

Zu den ultraschallbasierten Untersuchungen zählen:

 

•      Combined Test und Präeklampsie Screening im Ersttrimester

•      Organscreening

•      Wachstumskontrollen des Kindes

•      feindiagnostischer Ultraschall

•      Doppler Untersuchungen

•      3D & 4D Ultraschall

 

Diese Untersuchungen unterliegen genau definierten Qualitätsanforderungen und sollen somit als Ergänzung zu den vorgesehenen Mutterkindpass-Untersuchungen dienen.

Da bei Fehlbildungen auch an eine genetische Ursache gedacht werden muss, besteht die weitere Abklärung in der Durchführung von gendiagnostischen Tests zur Erkennung von Veränderungen in einem Gen.

 

CredoWeb: Was kann Pränataldiagnostik – und was nicht?

 

Dr. med. Daniela Zettel: 

Dieses Spezialgebiet ist mittlerweile sehr komplex und setzt sich im Wesentlichen, wie schon erwähnt, aus einer ultraschall-basierten Diagnostik und in speziellen Situationen einer genetischen Diagnostik zusammen. 

Familien, in denen bereits genetische Syndrome bekannt sind und Schwangere, bei denen ein Verdacht auf eine Erkrankung des Kindes besteht, sollten eine umfangreiche vorgeburtliche Beratung und Abklärung erhalten.

Prinzipiell wird nach nationalen und internationalen Standards bzw. Leitlinien (nach ÖGUM/- ISUOG/- FMF London) gearbeitet. Dennoch gibt es wie überall in der Medizin auch hier Grenzen. 

Selten kommen angeborene Veränderungen spät in der Schwangerschaft oder manchmal erst nach der Geburt zum Vorschein.

 

CredoWeb: Welche invasiven und nicht-invasiven Methoden stehen zur Verfügung?

 

Dr. med. Daniela Zettel: Unter den Begriff nicht-invasive Methoden fallen das Ersttrimester-Screening (Combined Test: Schwangerschaftswoche (SSW) 11+0 – 13+6), meistens gemeinsam mit einem Präeklampsie-Screening (Risikoberechnung für eine Schwangerschaftsvergiftung), das Organscreening ab der 20. bis ca. 23. Schwangerschaftswoche und der nicht invasive Pränataltest (NIPT - ab der 10. SSW).

Kindliche und mütterliche Blutflussmessungen in diversen Gefäßen mittels Dopplersonographie, ermöglichen den Versorgungszustand zu messen. Ebenso kann man hiermit einen Hinweis auf eine kindliche Blutarmut erhalten.

Durch den 3D-Ultraschall können fetale Strukturen besser beurteilt werden. Der Combined Test hat die 3 häufigsten Chromosomenstörungen im Fokus. 


Dies sind folgende:

 

•      Down-Syndrom

•      Edwards-Syndrom

•      Pätau-Syndrom


Zusätzlich können bereits 50% der Fehlbildungen zu diesem Zeitpunkt erkannt werden. 

Basierend auf dem mütterlichen Alter, dem Schwangerschaftsalter, einer Nackenfaltenmessung, der Darstellung des Nasenbeins und weiterer Marker wird in Kombination von Schwangerschaftshormonen eine Wahrscheinlichkeit für die 3 oben genannten Chromosomenveränderungen berechnet.

Die Entdeckungsrate liegt ca. bei 90-95%!

 

Ein weiteres Testverfahren für das Down-Syndrom, Edwards-Syndrom und Pätau-Syndrom, entweder als primäres Screening für Trisomie 21 oder in Kombination mit dem Combined Test, ist der NIPT (Non invasive prenatal testing). Die Analyse erfolgt durch eine Blutabnahme.

Die NGS (Next Generation Sequencing) basierte Methode wird mittlerweile von mehreren Firmen mit validierten Testverfahren angeboten und hilft hier überschüssige kindliche zellfreie DNA wie es zB beim Down-Syndrom der Fall ist, aus dem mütterlichen Blut zu quantifizieren. Weiters ist die Bestimmung der Geschlechtschromosomen mit dieser Methode möglich.

Die Anwendung dieser Tests ist für Einlingsschwangerschaften und auch für Zwillingsschwangerschaften möglich.

Zu erwähnen ist, dass die Durchführung eines NIPTs ohne Ultraschall nicht empfehlenswert ist.

 

Ergänzend dazu kann man gleichzeitig im Ersttrimester ein Risiko für Schwangerschaftskomplikationen (Präeklampsie) berechnen, was vor allem für Schwangere mit Risikofaktoren wie:

 

•      Diabetes mellitus;

•      bestehendem Bluthochdruck;

•      Autoimmunerkrankungen;

•      nach IVF-Behandlungen (künstliche Befruchtung);

•      bei stattgefundener Präeklampsie in der Vorschwangerschaft

 

von großer Wichtigkeit ist.

Das Organscreening im 2. Trimenon (Schwangerschaftsdrittel) erfolgt nach Richtlinien, erstellt von diversen Ultraschall-Gesellschaften und dient zur Darstellung von strukturellen Veränderungen des ungeborenen Kindes.

             

Bei Auffälligkeiten im Ultraschall (US) wird folglich eine invasive Abklärung angeboten. Abhängig vom Schwangerschaftsalter kann nun eine CVS (Punktion des Mutterkuchens) oder eine AC (Fruchtwasserpunktion) durchgeführt werden.

Aber auch andere Gründe führen zu einer invasiven Abklärung, wie zB ein bekanntes Erbleiden in der Familie.

 

Unabhängig davon, sollte jeder schwangeren Frau die Möglichkeit einer diagnostischen Punktion angeboten werden. 

 

Nach der diagnostischen Punktion wird das gewonnene Material genetisch analysiert, um eine Verdachtsdiagnose zu bestätigen.

Ein anderer Grund, invasiv zu diagnostizieren und auch zu therapieren, ist der Verdacht auf eine kindliche Anämie (Blutarmut), verursacht beispielsweise durch eine Rhesusunverträglichkeit (Blutgruppenunverträglichkeit gegen das Rhesusfaktor-Antigen zwischen Mutter und Kind).


Die darauffolgende Nabelschnurpunktion ermöglicht einerseits den Schweregrad der Anämie zu bestimmen und andererseits, über diesen Zugang dem Kind eine entsprechende Menge an Blut zu verabreichen.

 

CredoWeb: Gibt es Frauen, die auf PND ganz oder teilweise verzichten, da sie das Ergebnis nicht wissen wollen zB aus religiösen Gründen?

 

Dr. med. Daniela Zettel: Im Laufe meiner beruflichen Tätigkeit ist mir aufgefallen, dass der Zugang zu diesem Thema bei Kindern mit Chromosomenerkrankungen ganz unterschiedlich gehandhabt wird.

Wie schon vermutet, ist die religiöse Betrachtungsweise, dass jedes Leben lebenswert ist, immer wieder in meinen Gesprächen ein Thema. In solchen Situationen respektiert man natürlich die Meinung der werdender Mutter bzw. des Paares.

Häufig ist auch der Umgang mit einem statistischen Ergebnis, wie wir es beim Combined Test erhalten, für die Betroffenen schwierig. Solche Patientinnen verzichten dann gerne auf diese Untersuchung.

Dennoch sehe ich die Informationen aus dem vorgeburtlichen US für immens wichtig. Zum Beispiel können Herzfehler frühzeitig erkannt werden und somit  unmittelbar nach der Geburt gezielt in einem Herzzentrum versorgt werden.

Ganz generell kann man aber sagen, dass die Zusatzuntersuchungen von Schwangeren gerne angenommen werden. Invasive Therapieformen (zB kindliche Bluttransfusion durch Nabelschnurpunktion) wurden in meiner Gegenwart noch nie abgelehnt.

 

Interview: Christina Neumayer/CredoWeb

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