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Neue Medikamente in der Kardiologie: Fortschritte bei der Behandlung von Diabetikern mit Herzerkrankungen und bei Amyloidose

Neue Medikamente in der Kardiologie: Fortschritte bei der Behandlung von Diabetikern mit Herzerkrankungen und bei Amyloidose

Auf der Jahrestagung der Österreichischen Kardiologischen Gesellschaft geht es auch um neue Medikamente. Studien belegen die positiven Auswirkungen von in der Diabetes-Behandlung verwendeten Substanzgruppen auf das Herzinfarkt- und Schlaganfallrisiko. Ein bahnbrechender Fortschritt ist die Entwicklung von Medikamenten zur Behandlung von Amyloidose, bei der sich das Protein Amyloid auch im Herzmuskel ablagern und das Herz „verkleben“ kann.

Aus umfangreichen Untersuchungen ergaben sich sehr interessante Erkenntnisse, dass zwei zur Diabetesbehandlung verwendete Substanzgruppen auch mit positiven kardiovaskulären Effekten einhergehen,

sagt Prim. Univ.-Prof. Dr. Peter Siostrzonek (Krankenhaus der Barmherzigen Schwestern Linz; President elect der ÖKG) auf einer Pressekonferenz anlässlich der Jahrestagung der ÖKG (29. Mai bis 1. Juni 2019 in Salzburg).

Ein weiterer bahnbrechender pharmakologischer Fortschritt ist die Entwicklung von Medikamenten zur Behandlung von Amyloidose.

Bei dieser Gruppe von Erkrankungen kommt es zu extrazellulären Ablagerungen von unlöslichen Protein-Fibrillen, das Protein Amyloid kann sich auch im Herzmuskel ablagern, das Herz „verklebt“ in der Folge gewisser Maßen.

 

„Kardiologen und Kardiologinnen müssen sich intensiv mit der Volkskrankheit Diabetes beschäftigen, leidet doch ein Drittel der Herzinfarkt-Patienten auch an der so genannten Zuckerkrankheit“, so Prof. Siostrzonek. „Bei einem weiteren Drittel wird Diabetes neu entdeckt oder sie haben beginnenden Diabetes“. Das Herzinfarkt-Risiko ist mit Diabetes mindestens um das Zweifache erhöht. Auch Herzinsuffizienz tritt bei von Diabetes Betroffenen wesentlich häufiger auf, als bei Nicht-Diabetikern. Die Wahrscheinlichkeit, nach einem Herzinfarkt zu versterben, ist bei Diabetikern gegenüber der Normalbevölkerung um das Vierfache erhöht, und die Lebenserwartung dieser Patienten ist im Vergleich zur Normalbevölkerung um zwölf Jahre reduziert.

SGLT2-Hemmer senken Blutzucker, Herzinfarkt und Schlaganfallrisiko

Die Substanzgruppe der SGLT2-Hemmer („Sodium Glucose Cotransport Inhibitors“) bewirken im Nierengewebe, genauer in den Nierentubuli, dass die Rückresorption des Zuckers verhindert wird. Sie wirken anti-diabetisch, indem man Zucker über den Harn ausscheidet. Drei Präparate mit SGLT2-Hemmern wurden inzwischen in großen, weltweit durchgeführten Studien untersucht. Eine Metaanalyse fasste die Studiendaten zusammen und kam zum Schluss, dass SGLT2-Hemmer nicht nur die Langzeitzuckerwerte senken, sondern auch die Zahl der Herzinfarkte, der Schlaganfälle und der kardiovaskulär bedingten Todesfälle verringern. Studien haben gezeigt, dass bei Patienten, die schon einmal einen Herzinfarkt hatten, diese neuen Medikamente das Risiko für das neuerliche Auftreten eines Infarktes um ca. 14 Prozent reduzieren können. Und bei Diabetikern, die zwar Risikofaktoren, aber noch keinen Herzinfarkt hatten, kann damit zumindest das Risiko des Auftretens einer Herzschwäche um ca. 16 Prozent vermindert werden, berichtet Prof. Siostrzonek.

SGLT2-Hemmer sind als Zuckersenker in Österreich schon seit mehreren Jahren im Einsatz. Allerdings ist der erhebliche kardiovaskuläre Zusatznutzen erst durch die großen Endpunktstudien wahrgenommen worden,

so Prof. Siostrzonek. „Als Tablette, die ein- oder zweimal am Tag eingenommen wird, und die gleichzeitig das kardiovaskuläre Risiko senkt, werden bei Patienten mit erhöhtem kardiovaskulärem Risiko neben Metformin jetzt Medikamente dieser Substanzgruppe empfohlen. Die SGTL2-Hemmer werden derzeit auch bei Nicht-Diabetikern bezüglich ihrer Wirkung bei Herzinsuffizienz getestet.“

GLP1-Analoga wirken sich positiv auf das Herzinfarktrisiko aus

Medikamente der Substanzgruppe der GLP1-Analoga (Glucagon like Peptide 1) wirken an einem entsprechenden Rezeptor im Darm. Der Effekt dieser Medikamente ist, dass das Hungergefühl abnimmt und die Magenentleerung etwas verlangsam wird. Zusätzlich wirken sie auch auf die Insulinsekretion. Prof. Siostrzonek: „Primär war auch hier das Ziel die Blutzuckersenkung, aber auch hier zeigten drei große Studien, dass sich die Substanzen positiv auf das Herzinfarktrisiko auswirken. Für den Endpunkt Herzinsuffizienz war die Wirkung allerdings nicht so ausgeprägt, wie die der SLGT-2-Hemmer.“ GLP1-Analoga müssen 1-2x täglich oder 1x/Woche unter die Haut injiziert werden.

 

Für die Behandlung von Diabetikern mit kardiovaskulären Problemen empfehlen allerdings nach wie vor alle Guidelines Metformin als Mittel der Wahl. Prof. Siostrzonek:

Erst wenn Metformin alleine ungenügend wirkt oder nicht vertragen wird, sollte man auf die neuen Substanzgruppen zurückgreifen.

Amyloidose – wenn das Herz „verklebt“

Ein großer Fortschritt ist die Entwicklung von Medikamenten zur Behandlung von Amyloidose. Galt Amyloidose lange als sehr seltene Erkrankung, so zeigen neue verbesserte Diagnosemethoden (Echokardiografie, MR, Knochenscan), dass sie wesentlich häufiger als vermutet auftritt und ab einem gewissen Alter etwa einen von Tausend Menschen betrifft.

 

Amyloidose-Patienten haben Herzinsuffizienzsymptome: Sie bekommen weniger Luft, sind weniger leistungsfähig und haben Beinschwellungen. Die Prognose bei dieser Erkrankung ist bei einer mittleren Überlebensrate von fünf bis sechs Jahren nicht gut. Prof. Siostrzonek: „Der einzige therapeutische Ansatz bestand bisher in ‚Abwarten und Teetrinken‘, nämlich in einer symptomatischen Behandlung der Herzinsuffizienz mit Diuretika und in der Einnahme von Grüntee, dessen Effekte aber ungenügend belegt sind.“

 

Seit Kurzem stehen mehrere wirksame Medikamente zur Verfügung, die primär bei der seltenen erblichen Form der Amyloidose erfolgreich getestet wurden (z.B. Patirisan, ein mRNA-Silencer, und Tafamidis, ein Transthyretrin-Stabilisator). Tafamidis stabilisiert das abnorm gebildete Transthyretrin, in der Folge wird die Ablagerung von Amyloidfasern im Herzen gehemmt, und das Fortschreiten der Erkrankung wird aufgehalten. Es kommt allerdings zu keiner Auflösung der Ablagerungen. Prof. Siostrzonek:

In einer aktuellen großen Studie wurde nun nachgewiesen, dass nicht nur Patienten mit erblicher Amyloidose, sondern auch Patienten mit ‚wild type Amyloidose‘, die Tafamidis erhielten, deutlich weniger Beschwerden und eine längere Überlebenszeit hatten als die Vergleichsgruppe.

In Österreich ist Tafamidis derzeit nur für die Behandlung der vergleichsweise seltenen genetischen Form der Amyloidose zugelassen, die häufig auch mit Neuropathien verbunden ist. Prof. Siostrzonek: „Eine Zulassungserweiterung auch für die Altersamyloidose ist aber zu erwarten. Derzeit stellen jedoch auch die hohen Kosten eine Einschränkung für die Verwendung der innovativen Medikamente dar.“

 

Literatur:

Zelniker TA et al.: SGLT2 inhibitors for primary and secondary prevention of cardiovascular and renal outcomes in type 2 diabetes: a systematic review and meta-analysis of cardiovascular outcome trials. Lancet 2019,393:31-39;

Zinman B et al: Empagliflozin, Cardiovascular Outcomes, and Mortality in Type 2 Diabetes. NEJM 2015;373:2117-28;

Neal B et al. Effects of Sotagliflozin Added to Insulin in Type 1 Diabetes. NEJM 2017;277:644-57;

Wiviott SD et al. Dapagliflozin and Cardiovascular Outcomes in Type 2 Diabetes; NEJM 2019; 380:347-57M;

Marso SP et al: Liraglutide and Cardiovascular Outcomes in Type 2 Diabetes. NEJM 2016;375:311-22;

Marso SP et al. Semaglutide and Cardiovascular Outcomes in Patients with Type 2 Diabetes. NEJM 2016;375:1834-44;

Maurer MS et al. Tafamidis Treatment for Patients with Transthyretin Amyloid Cardiomyopathy. NEJM 2018;379:1007-16;

Solomon SD et al. Effects of Patisiran, an RNA Interference Therapeutic, on Cardiac Parameters in Patients With Hereditary Transthyretin-Mediated Amyloidosis. Circulation 2019;139:431-33;

Adams D et al. Patisiran, an RNAi Therapeutic, for Hereditary Transthyretin Amyloidosis. NEJM 2018;379:11-21.

Quelle: Presseaussendung zur Jahrestagung der Österreichischen Kardiologischen Gesellschaft, 28. 5. 2019 in Wien / B&K Kommunikationsberatung;

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