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Österreichische Schmerzgesellschaft (ÖSG) startet 19. Österreichische Schmerzwochen: Zentrales Thema Schmerzprävention

Österreichische Schmerzgesellschaft (ÖSG) startet 19. Österreichische Schmerzwochen: Zentrales Thema Schmerzprävention

Bereits zum 19. Mal führt die Österreichische Schmerzgesellschaft (ÖSG) ab dem 21. Jänner ihre „Österreichischen Schmerzwochen“ durch, eine breit angelegte Aufklärungsoffensive in Sachen Schmerzmedizin.

Unsere Informationsinitiative legt in diesem Jahr einen Fokus auf die vielfältigen Möglichkeiten der Schmerzprävention. Wir möchten auch neue Erkenntnisse der schmerzmedizinischen Forschung bekannter machen und über die breite Palette bestehender Therapieangebote informieren. Zudem sind richten wir uns auch an alle, die für die medizinische Versorgung verantwortlich sind, denn sie sind gefordert, die nötigen Angebote für Schmerzpatientinnen und Schmerzpatienten zu verbessern,

betonte Prim. Priv.-Doz. Dr. Nenad Mitrovic, Präsident der Österreichischen Schmerzgesellschaft (ÖSG) und Leiter der Abteilung Neurologie, Salzkammergut-Klinikum (Vöcklabruck) zum Auftakt der Schmerzwochen 2020.

 

Chronische Schmerzen sind nicht nur eine große Belastung für die Betroffenen, sie verursachen auch enorme Kosten. Daten aus Deutschland zeigen, dass chronische Schmerzen Kosten im Ausmaß von 2,2 Prozent des BIP verursachen, das enthält direkte Gesundheitskosten ebenso wie Produktivitätsausfälle. „In Österreich dürfte die Situation ähnlich sein. Wir gehen von 1,5 bis 1,8 Millionen Menschen mit chronischen Schmerzen aus",  so ÖSG-Präsident Prim. Mitrovic.

Die Etablierung einer gut funktionierenden abgestuften Schmerzversorgung in Österreich würde das Leiden von SchmerzpatientInnen deutlich reduzieren. Was wir brauchen - und das ist auch unser Appell an die Gesundheitspolitik und die Sozialversicherungen - ist eine gut geplante abgestufte Versorgung, in der jede Schmerzpatientin und jeder Schmerzpatient genau auf jener Ebene behandelt und betreut wird, auf der er oder sie am besten aufgehoben ist.

Bewegung und Kultur wirken chronischem Schmerz entgegen

Studien belegen, dass Bewegung geradezu ein Wundermittel gegen chronische Schmerzen ist: Menschen im Erwerbsalter entwickeln seltener chronische Schmerzen, wenn sie drei- bis fünfmal pro Woche trainieren. Eine aktuelle Metastudie zeigt, dass körperliches Training wirksam hilft, die Wahrscheinlichkeit für das Wiederauftreten von Beschwerden im unteren Rückenbereich zu reduzieren. Ab dem 50. Lebensjahr scheint regelmäßige Bewegung ein regelrechter "Schutz" gegen chronische Schmerzen zu sein. Eine englische Langzeitstudie mit rund 2.600 Teilnehmerinnen und Teilnehmern kam zum Ergebnis, dass neben einem wöchentlichen intensiven Training auch die Teilnahme an kulturellen Veranstaltungen, etwa Museums- oder Konzertbesuche, eine vorbeugende Maßnahme gegen chronische Schmerzen sein kann. Dies vermutlich deshalb, weil diese Form der Freizeitgestaltung moderate Bewegung, soziales Leben und geistige Herausforderung verknüpfen und für Wohlbefinden sorgen.

Um die Motivation zur körperlichen Aktivität zu erhöhen, sollten die entsprechenden Sport- und Bewegungsangebote für Menschen jeden Alters verbessert werden.

, so ÖSG-Präsident Prim. Mitrovic.

Abgestufte Schmerzversorgung verbessern

Als optimal für die Versorgung von Patientinnen und Patienten mit chronischen Schmerzen hat sich ein abgestuftes Versorgungsmodell mit drei Ebenen erwiesen: Basisversorgung (niedergelassene Allgemeinmediziner bzw. Fachärzte), spezialisierte Versorgung wie etwa Schmerzambulanzen, und hochspezialisierte Versorgung, also Einrichtungen, die intensive multimodale Therapieprogramme anbieten. Jeder Ebene werden leitliniengerechte Kompetenzen zugeordnet, mit dem Ziel, den Patientinnen und Patienten eine zeitgerechte optimale Diagnostik und Therapie zu ermöglichen. "Die drei Versorgungsebenen müssen in Österreich allerdings weiter verbessert werden", erklärt ÖSG-Generalsekretär Prim. Univ.-Prof. Dr. Rudolf Likar, Leiter der Abteilung für Anästhesiologie und Intensivmedizin am Klinikum Klagenfurt und LKH Wolfsberg; Lehrstuhl für Palliativmedizin an der Sigmund Freud Universität. Mögliche Verbesserungen in der Versorgung wären beispielsweise mehr ambulante und stationäre Schmerzzentren, die Ausweitung von multimodalen Therapieangeboten und entsprechenden Zentren und eine optimale Vernetzung von niedergelassenen Schmerzbehandlerinnen und -behandlern. Zudem braucht es eine Aufwertung der schmerzmedizinischen Aus- und Weiterbildung, angepasst auch an die verschiedenen Versorgungsebenen.

Lange Wartezeiten für Schmerzpatienten verschlechtern Gesundheitszustand weiter

Eine gut funktionierende abgestufte Versorgung würden lange Wartezeiten in der Schmerzmedizin reduzieren.

Lange Wartezeiten in der Schmerzversorgung verschlechtern nachweislich den Gesundheitszustand von Menschen mit chronischen Beschwerden weiter: Ihre Schmerzen intensivieren sich, gleichzeitig verschlechtert sich ihre Lebensqualität bis hin zu Depression und Schlafstörungen,

betont Prof. Likar.

 

Der Sinn der Basisversorgung auf der ersten Ebene ist neben der Diagnosestellung und Einleitung der Therapie ein Screening auf schwerwiegende Ursachen des Schmerzes, die sofort behandelt werden müssen. Manche Schmerzpatientinnen und -patienten sind bei einer Hausärztin oder einem Hausarzt gut aufgehoben. Doch insbesondere auf dem Land wirkt sich auch hier der Ärztemangel negativ aus.

 

Wenn bei nicht spezifischen akuten Schmerzen innerhalb von einigen Wochen keine wesentliche Besserung der Schmerzen erreicht wird, sollten Patienten auf die zweite Ebene verwiesen werden. Allerdings gibt es in ganz Österreich nur 48 Schmerzambulanzen, die zudem regional sehr ungleich verteilt sind. Die wenigsten können einen Vollbetrieb leisten, meist aufgrund fehlender personeller und zeitlicher Ressourcen. Deshalb gibt es oft wochenlange Wartezeiten auf einen Behandlungstermin. Für besonders schwer chronifizierte Schmerzen sollten in der dritten Versorgungsebene spezielle interdisziplinäre Schmerzzentren zuständig sein, die multimodale Therapiekonzepte nach internationalen Standards anbieten können. Dieses Angebot ist allerdings noch immer viel zu klein, verfügbar sind solche multimodalen Programme etwa am Klinikum Klagenfurt und am Schmerzzentrum der ÖGK (vormals WGKK) in Wien. "Unser Ziel muss es sein, in jedem Bundesland zumindest ein Schmerzzentrum mit einem solchen multimodalen Angebot zu haben", unterstreicht ÖSG-Generalsekretär Prof. Likar.

Neuer Qualitätsstandard für die abgestufte Schmerzversorgung unspezifischer Kreuzschmerzen

Einen wichtigen Fortschritt gibt es bei der Versorgung von Kreuzschmerzen, die in Österreich zu den häufigsten Leiden zählt. "Hier wird es bald gelingen, einen Qualitätsstandard für eine abgestufte Versorgung im Österreichischen Strukturplan Gesundheit zu verankern", sagt ÖSG-Vizepräsidentin Dr. Waltraud Stromer, Oberärztin an der Abteilung für Anästhesiologie und Intensivmedizin am Landesklinikum Horn.

 

Im neuen "Qualitätsstandard abgestufte Schmerzversorgung unspezifischer Kreuzschmerz" wurde ein dreistufiges Versorgungskonzept detailliert festgelegt, das bestmögliche Diagnostik und Therapie von Patientinnen und Patienten mit unspezifischen Rückenschmerzen flächendeckend, wohnortnah und effizient gewährleisten soll. Ein wichtiger Teil des Qualitätsstandard ist das STarT Back-Screening-Tool. Mit diesem kurzen Fragenbogen können Allgemeinmedizinerinnen und -mediziner rasch jene Kreuzschmerzpatienten herausfiltern, bei denen die Gefahr einer Chronifizierung besteht oder deren Akutbeschwerden rasch behandelt werden müssen. Sie können außerdem besser einschätzen, welche Versorgungsebene die Kreuzschmerzpatienten jeweils benötigen. Der Fragebogen erfasst nicht nur die biomedizinischen Aspekte des Kreuzschmerzes, sondern hilft auch, die psychosozialen Faktoren angemessen zu berücksichtigen. "Eine derartige Entwicklung ist richtungsweisend und auch für alle anderen Bereiche der Schmerzversorgung dringend notwendig", resümiert ÖSG-Vizepräsidentin Dr. Stromer.

Service für Patienten und Interessierte: Informationsfolder und Webinar

Damit sich Patienten und Angehörige über aktuelle Möglichkeiten der Schmerzmedizin informieren können, legt die ÖSG einen Patientenflyer mit dem Titel "Schmerzen vorbeugen - Schmerzen behandeln" auf. Er ist in Arztpraxen und zum Download erhältlich unter https://www.bkkommunikation.com/downloads/Schmerzwochen_2020_Flyer.pdf.

 

Außerdem bietet die ÖSG auch 2020 wieder ein kostenloses Webinar für Patienten, Angehörige und Interessierte an. Bei diesem interaktiven Online-Event erörtern ÖSG-Präsident Prim. Mitrovic, ÖSG-Vizepräsidentin OÄ Dr. Waltraud Stromer und ÖSG Past Präsidentin OÄ Dr. Gabriele Grögl-Aringer die wichtigsten Möglichkeiten der Schmerzprävention, zeigen auf, dass Schmerz nicht gleich Schmerz ist und informieren über den Einsatz von Cannabis in der modernen Schmerzmedizin. Anschließend stehen die Schmerzexpertinnen und -experten für Fragen der Teilnehmenden zur Verfügung. Details zur Anmeldung und Teilnahme gibt es unter www.oesg.at oder www.bkkommunikation.com/de/patientenwebinar2020/.

 

Quellen:

T Landmark et al. Associations between recreational exercise and chronic pain in the general population: Evidence from the HUNT 3 study. Pain 2011; 152; 2241-2247.

D Fancourt et al. Physical and Psychosocial Factors in the Prevention of Chronic Pain in Older Age; The Journal of Pain Volume 19, Issue 12, December 2018, Pages 1385-1391.

D. Steffens et al. Prevention of Low Back Pain: A Systematic Review and Meta-analysis. JAMA Intern Med. 2016;176(2):199-208.

BMASGK (2019): Qualitätsstandard Unspezifischer Rückenschmerz. Bundesministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz, Wien.

Karstens S, Steinhäuser J, Joos S. Der STarT-Fragebogen. Ein Instrument zur abgestuften Therapiezuweisung bei Kreuzschmerzen. pt_Zeitschrift für Physiotherapeuten 2013;65 (5):50-53.

Quelle: Presseaussendung der Österreichischen Schmerzgesellschaft

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