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Schwangerschaft & Geburt mit COVID-19-Infektion

Schwangerschaft & Geburt mit COVID-19-Infektion

Pränatalexperte Prof. Dr. Philipp Klaritsch beantwortet in einem Exklusivinterview unsere Fragen rund um das Thema Schwangerschaft und Geburt in der Coronakrise. Er ist Facharzt für Gynäkologie und Geburtshilfe, sowie assoziierter Professor an der Universitätsfrauenklinik Graz.

 

 

CredoWeb: Bisher gibt es offensichtlich keine Hinweise, dass Schwangere durch das Coronavirus gefährdeter sind als die Allgemeinheit. Gilt dies auch, wenn die Mütter zu einer Risikogruppe gehören?

 

 

Prof. Dr. Philipp Klaritsch:

 

Richtig, im Gegensatz zur Influenzainfektion, die bei schwangeren Frauen – im Vergleich zu Nicht-Schwangeren - mit einem erhöhten Risiko für schwerwiegende Erkrankungen bis hin zu Todesfällen einhergeht, gibt es bisher keine Hinweise, dass Infektionen von Schwangeren mit SARS-CoV-2 mit einer erhöhten Rate für schwerwiegende Erkrankung vergesellschaftet wären.

 


Es könnte allerdings sein, dass Schwangere mit Ko-Morbiditäten wie

 

 

  • Adipositas,
  • Typ 2 Diabetes und
  • Krebserkrankungen



einem erhöhten Risiko für schwerere Krankheitsverläufe unterliegen.

 


 

CredoWeb: Was sollten schwangere Mütter generell beachten, wenn sie zuhause unter Quarantäne stehen?

 

 

Prof. Dr. Philipp Klaritsch:

 


Für schwangere Frauen gelten dieselben Empfehlungen zur Infektionsprophylaxe wie für die Allgemeinbevölkerung:

 

  1. Waschen Sie Ihre Hände häufig!
    Reinigen Sie Ihre Hände regelmäßig und gründlich (mind. 20 sec) mit einer Seife oder einem Desinfektionsmittel!


  2. Halten Sie Distanz!
    Halten Sie einen Abstand von mindestens einem Meter zwischen sich und allen anderen Personen ein!

  3. Berühren Sie nicht Augen, Nase und Mund!
    Hände können Viren aufnehmen und das Virus ins Gesicht übertragen!

  4. Achten Sie auf Atemhygiene!
    Halten Sie beim Husten oder Niesen Mund und Nase mit gebeugtem Ellbogen oder einem Taschentuch bedeckt und entsorgen Sie dieses sofort!


 

CredoWeb: Welche Auswirkungen hat eine COVID-19-Infektion der Mutter auf das Kind im Mutterleib?

 

 

Prof. Dr. Philipp Klaritsch: Da es sich um eine sehr neue Erkrankung handelt, liegen noch wenige verlässliche Daten über die Auswirkung auf die Schwangerschaft und das ungeborene Kind vor.

 

Bislang gibt es keine Hinweise auf ein erhöhtes Risiko für Fehlgeburten.

 

Es gibt auch keine eindeutigen Beweise dafür, dass das Virus während der Schwangerschaft auf das Ungeborene übertragen werden kann (dies wird als vertikale Transmission bezeichnet) und dies dem Ungeborenen schaden kann.

 

Es wird auch als unwahrscheinlich angesehen, dass das Virus beim Fetus zu Anomalien (= körperliche Fehlbildungen) führt.

 

Einschränkend muss aber festgehalten werden, dass bisher kaum Daten über den Ausgang von COVID-19 Erkrankungen im ersten oder frühen zweiten Schwangerschaftsdrittel vorliegen.

 

 

CredoWeb: Welche Schutzmaßnahmen sollen bei einer Geburt mit einer infizierten Mutter eingehalten werden?



Prof. Dr. Philipp Klaritsch: Das betreuende Personal (Hebammen, Ärzte und Ärztinnen, Pflege- und Reinigungspersonal) muss eine entsprechende Schutzausrüstung, sprich

 

 

  • FFP3 Masken,
  • Schutzbrillen,
  • Schutzkleidung und
  • Handschuhe tragen.

 

 

Der Geburtsmodus sollte anhand geburtshilflicher Indikationen und dem Wunsch der Frau individualisiert werden.

 

Bei schweren Krankheitsverläufen, die eine rasche Geburt notwendig machen oder bei Hinweisen auf fetale Mangelsituationen, kann eine Kaiserschnittgeburt notwendig werden. Unter der Geburt ist eine Regionalanästhesie („Kreuzstich“) möglich.
Lachgas sollte jedoch wegen der möglichen Aerosolbildung vermieden werden.

 

 

 

CredoWeb: Kann COVID-19 bei der Geburt auf das Kind übertragen werden?

 


Prof. Dr. Philipp Klaritsch: Zusammenfassend ist zum aktuellen Zeitpunkt – auf Basis einer relativ geringen Fallzahl publizierter Schwangerschaften und deren Outcomes sowie Erfahrungen im Rahmen der SARS-Epidemienicht davon auszugehen, dass es zu einer intrauterinen Übertragung von SARS‑CoV‑2 auf den Feten kommt.

 

Eine Infektion des Kindes im Geburtskanal gilt aktuell als unwahrscheinlich.

 

 

Nichtsdestotrotz ist Achtsamkeit geboten:

 

Neonatologen sollten Kinder infizierter Mütter intensiv überwachen, um eine Infektion frühzeitig zu erkennen. Da nicht abschließend klar ist, ob es in utero (= in der Gebärmutter) oder peripartal (= kurz vor oder nach der Geburt) zu Infektionen kommen kann, sollten Kinder infizierter Mütter postpartal (= nach der Geburt) isoliert werden, um andere Neugeborene zu schützen.

 

 

CredoWeb: Darf die Mutter ihr Kind stillen, so lange sie infiziert ist?

 

 

Prof. Dr. Philipp Klaritsch:

 

Da in den bisherigen Untersuchungen kein Erreger in der Muttermilch gefunden wurde, ist eine Übertragung durch das Stillen zum aktuellen Zeitpunkt als unwahrscheinlich anzusehen.


 

Im Falle eines Infektionsverdachts oder nach bestätigter Infektion sollte beim Stillen durch Hygienemaßnahmen wie gründliches Händewaschen vor und nach dem Kontakt mit dem Kind und durch das Tragen eines Mundschutzes eine Übertragung des Virus durch Tröpfcheninfektion verhindert werden.

 

Alternativ ist ein Abpumpen der Milch und Verfütterung durch eine gesunde Begleitperson möglich. Neben einer ausreichenden Händehygiene sollte auch die Sterilisation aller benutzten Gefäße und Pump-Sets erfolgen.

 


CredoWeb:
Gab es in Österreich schon Geburten mit COVID-19-erkrankten Müttern? Bitte teilen Sie uns Ihre Erfahrungen mit!

 

 

Prof. Dr. Philipp Klaritsch:

 

Ja, in Österreich haben schon Frauen, die an COVID-19 erkrankt waren Kinder geboren. Diese Geburten sind meines Wissens nach größtenteils unproblematisch verlaufen. Genauere Details dazu sind mir aber nicht bekannt.

 

 

Interview: Christina Neumayer/CredoWeb

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