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Immuntherapie bei Gebärmutterkörperkrebs

Immuntherapie bei Gebärmutterkörperkrebs


Christian Marth ist Facharzt für Gynäkologie und Geburtshilfe, Universitätsprofessor an der Medizinischen Universität Innsbruck und Vorstand der Universitätsklinik für Gynäkologie und Geburtshilfe in Innsbruck. Dr. Marth beschäftigt sich intensiv mit der Behandlung von gynäkologischen Tumoren, unter anderem mithilfe der Immuntherapie.

 

CredoWeb: Wie entsteht Gebärmutterkörperkrebs und welche Risikofaktoren gibt es?

 

Univ.-Prof. Dr. Christian Marth: Gebärmutterkörperkrebs ist ein bösartiger Tumor, welcher in der Gebärmutterschleimhaut entsteht. Dabei handelt es sich um jene Schleimhaut, die normalerweise während der Regelblutung jedes Monat abgeblutet wird.



Die uns bekannten Risikofaktoren sind vor allem

 

  • Übergewicht,
  • länger ausbleibende Regelblutung,
  • Hormonsubstitutionstherapie nur mit Östrogenen, ohne Gelbkörperhormon (dazu gehört interessanterweise auch das Tamoxifen, ein Antiöstrogen) und
  • Diabetes mellitus.

Insgesamt erlebt man in den letzten Jahren aufgrund der Zunahme von übergewichtigen Menschen, mehr Fällen von Diabetes mellitus und generell mehr Stoffwechselstörungen auch eine Zunahme von Gebärmutterkörperkrebs in der Gesellschaft. Vor allem in den USA ist dies sehr dramatisch, aber auch in Europa steigen die Zahlen eher an.

 

CredoWeb: Wie häufig kommt dieser Tumor generell vor?

 

Univ.-Prof. Dr. Christian Marth: Gebärmutterkörperkrebs ist der am häufigsten vorkommende Tumor im kleinen Becken.

 

Etwa 1.000 Frauen erkranken jedes Jahr in Österreich an diesem Tumor. Von den gynäkologischen Tumoren ist er der zweithäufigste, nach dem Brustkrebs (ca. 4.500 Frauen erkranken jährlich).

Hier gibt es einen Zusammenhang mit einer genetischen Prädisposition, das sogenannte Lynch-Syndrom.

Es gibt Familien bei denen vermehrt Darmkrebs und Gebärmutterkörperkrebs vorkommt. Wenn also Darmkrebs diagnostiziert wird, sollte man daran denken, dass es einen Zusammenhang mit Gebärmutterkörperkrebs geben könnte und auch umgekehrt. Beim Vorkommen eines dieser Tumore, sollte man genetisch testen, ob das Lynch-Syndrom eventuell dahinter stecken könnte.

 

 

CredoWeb: Welche Symptome können auftreten und wie erfolgt die Diagnose?

 

 

Univ.-Prof. Dr. Christian Marth:

 

Gebärmutterkörpertumore entstehen meist nach der Menopause.

 

Das auffälligste Symptom ist eine Blutung, die nach der letzten Regelblutung auftritt. Solch eine Blutung ist prinzipiell immer verdächtig und könnte darauf hinweisen, dass es sich um Gebärmutterkörperkrebs handelt. Je später dies nach der letzten Regelblutung auftritt, umso wahrscheinlicher der Tumor. Aber auch wässrige Ausflüsse, vor allem nach dem Wechsel, könnten ein Hinweis sein.

 

Die Diagnostik selbst erfolgt meist mit einem Eingriff unter Narkose. Man entnimmt, im Rahmen einer sogenannten Ausschabung, Gewebe aus der Gebärmutter. Man schaut auch gleichzeitig in die Gebärmutterhöhle hinein und macht eine sogenannte Hysteroskopie (= Spiegelung der Gebärmutter).

 

Es gibt auch minimal-invasive Möglichkeiten, wobei man ohne Narkose in der Ordination eine Gewebsprobe entnimmt. Hier ist die Aussagekraft allerdings etwas geringer, weil es manchmal nicht gelingt, ausreichend Tumorgewebe zu entnehmen.

 


CredoWeb: Welche Therapieoptionen gibt es derzeit?

 

Univ.-Prof. Dr. Christian Marth:

 

Prinzipiell ist die erste und wichtigste Therapieoption die Operation. Man entfernt dabei die ganze Gebärmutter und meist auch Eileiter und Eierstöcke.

 

Häufig passiert dies im Rahmen einer Bauchspiegelung. Dies ist ein laparoskopisches, minimal-invasives Verfahren. Durch Studien wissen wir, dass dies eine sehr sichere Form der OP ist.

 

 

Gleichzeitig sollte man auch immer beurteilen, ob eventuell auch Lymphknoten betroffen sind. Hierfür macht man eine sogenannte Wächterlymphknotenentfernung. Dies geschieht gleichzeitig mit der Gebärmutterentfernung. Der Großteil der Patientinnen ist mit dieser OP bereits fertig behandelt und es bedarf keiner weiteren Therapie mehr.


Ein Teil der Patientinnen benötigt jedoch zusätzlich eine weitergehende Behandlung mithilfe einer Strahlen- oder auch Chemotherapie.

 

 


CredoWeb: Wie funktioniert die Immuntherapie genau und was sind hierbei die Vorteile?

 

 

Univ.-Prof. Dr. Christian Marth: Der Krebs entsteht und wächst, ohne dass ihn das Immunsystem dabei erwischt. Dies ist deshalb möglich, weil der Krebs sich quasi eine Tarnkappe überstülpt und so ungestört wachsen kann, ohne dass das Immunsystem erkennt, dass hier offensichtlich etwas schief läuft.

 

Die Immuntherapie besteht im Wesentlichen aus Antikörpern, die dem Krebs diese Tarnkappen abziehen und dadurch die weißen Blutkörperchen der Patientin den Krebs entdecken und ihn somit abstoßen und vernichten können. Es ist eine äußerst effektive Therapieform.

 

Es gibt, wie so oft, nicht nur diesen einen Krebs, sondern es gibt häufig verschiedene Krebsformen. Es hängt also davon ab, welche Form von Gebärmutterkörperkrebs vorliegt, um diese Therapieform anzuwenden. Wenn dies zB ein Krebs ist, der im Rahmen des Lynch-Syndroms auftritt, sind das Tumore, die sehr gut auf die Immuntherapie ansprechen. Hier reicht meist auch die Immuntherapie allein aus.

 

Bei den anderen Krebsformen braucht man zusätzlich noch eine andere Therapie. Es gibt bereits Zulassungen in den USA für Medikamente, welche die Blutgefäßneubildung hemmen. Diese Arzneimittel nennt man Angiogenese-Inhibitoren. Diese Kombination hat bereits zu sehr guten Ergebnissen geführt.

 

Ein weiteres Bestreben ist, dass man die Immuntherapie mit Chemotherapie kombiniert. Hier sind bereits Studien am Laufen. Es gibt erste, sehr gute Hinweise, dass diese Kombination sehr gut wirken kann.


Es laufen auch weitere Überlegungen, die Immuntherapie mit Strahlentherapie zu kombinieren. Die Idee dahinter ist eigentlich immer, dass man Maßnahmen setzt, um Tumorzellen abzutöten. Wenn Tumorzellen absterben, setzen sie Proteine (= Eiweiße) frei, die aus dem Inneren der Zelle kommen. Diese Proteine werden so für das Immunsystem besser erkennbar und kann dadurch besser reagieren.

 

 


CredoWeb: Welche Erfahrungen haben Sie mit der Immuntherapie in der Behandlung von Gebärmutterkörperkrebs schon gemacht?

 

 

Univ.-Prof. Dr. Christian Marth:

 

Innerhalb, aber auch außerhalb von Studien haben wir Patientinnen mit Immuntherapie behandelt und wir haben sehr, sehr gute Ergebnisse gesehen.

 

Die Immuntherapie ist jedoch eine Behandlungsform, die auch mit sehr speziellen Nebenwirkungen einhergeht, die aber gut beeinflussbar sind, wenn man schnell darauf reagiert.

Wichtig ist, dass diese Therapie jemand anwendet, der sich gut auskennt.

 

Es kann zB zu Schilddrüsenfunktionsstörungen, zu Darmstörungen oder auch zu einer Lungenentzündung kommen. Deshalb ist es sehr wichtig, dass man darauf schnell und korrekt reagiert.

 

 

 

Interview: Christina Neumayer/CredoWeb

 

 

 

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