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Schlaganfall durch verstecktes Vorhofflimmern: Forscher*innen der Med Uni Graz erarbeiten klinischen Risikoscore

Schlaganfall durch verstecktes Vorhofflimmern: Forscher*innen der Med Uni Graz erarbeiten klinischen Risikoscore

Der Schlaganfall ist eine akute Erkrankung des Gehirns und in Österreich die häufigste Ursache für bleibende Behinderung im Erwachsenenalter. Ca. 85 % aller Schlaganfälle sind Folge einer Unterbrechung der Blutversorgung von Hirnarealen (= ischämisch). Typisch ist das schlagartige Auftreten von Seh-, Sprach- bzw. Gefühlsstörungen oder Lähmungserscheinungen.


Schnelles Reagieren rettet Leben

 

„Bei diesen Symptomen gilt es, sofort die Rettung zu alarmieren, da durch den Einsatz
moderner Akuttherapien bei vielen Patient*innen die Blutversorgung wiederhergestellt und
Folgeschäden reduziert werden können“, erklärt Markus Kneihsl von der Universitätsklinik
für Neurologie der Med Uni Graz.


Neben der Akuttherapie ist der Nachweis der konkreten Schlaganfallursache für die
Behandlung und Vermeidung eines weiteren Schlaganfalls entscheidend. Trotz moderner
Diagnostik bleibt jedoch die Ursache jedes vierten Schlaganfalls zunächst unklar, wobei
insbesondere die Erfassung von herzbedingten Schlaganfallquellen herausfordernd sein
kann. Um die Schlaganfallabklärung zu optimieren, wurde daher ein Studienprojekt von
Forscher*innen der Universitätsklinik für Neurologie (Studienleitung: Assoz.-Prof. Thomas
Gattringer) in Kooperation mit der Klinischen Abteilung für Kardiologie der
Universitätsklinik für Innere Medizin (Studienleitung: Dr. Egbert Bisping) der Med Uni Graz
ins Leben gerufen und federführend von Markus Kneihsl als Dissertationsprojekt umgesetzt.


Vorhofflimmern und Schlaganfall


Die häufigste Ursache von herzbedingten Schlaganfällen ist die Herzrhythmusstörung
Vorhofflimmern, die (sofern nicht erkannt und passend behandelt) mit einem stark
erhöhten Risiko für die Bildung von Blutgerinnseln im Herz einhergeht. Diese können mit
dem Blutstrom in die hirnzuführenden Gefäße gelangen und die Blutversorgung des Gehirns
unterbrechen. Neben einem unregelmäßigen Pulsschlag sind Herzrasen und -stolpern
typische Symptome des Vorhofflimmerns.


„Tückisch ist jedoch, dass viele Patient*innen keine Beschwerden aufweisen und
Vorhofflimmern häufig nur in kurzen Episoden auftritt, die nachfolgend für Tage bis
Wochen einem normalen Herzschlag weichen können“, fasst Markus Kneihsl die Gefahren
des Vorhofflimmerns zusammen.


Dies kann dazu führen, dass im Rahmen der stationären Schlaganfallabklärung durchwegs
unauffällige Herzrhythmen erfasst werden, obwohl Betroffene an Vorhofflimmern leiden.
Besondere Bedeutung erlangt das dadurch, da diese Rhythmusstörung mit schweren und
wiederkehrenden Schlaganfällen in Verbindung gebracht wird, die richtige medikamentöse
Vorsorge (= Blutverdünnung) dieses Risiko jedoch drastisch reduzieren kann.


Wer suchet, der findet


In den von den Forscher*innen durchgeführten Studien wurden aus klinischen
Informationen, Charakteristika der Gehirnbildgebung, Herzultraschall, EKG und
Blutuntersuchungen Marker für Vorhofflimmern identifiziert und darauf aufbauend ein
Risikoscore entwickelt, der ein zugrunde liegendes Vorhofflimmern bei Patient*innen mit
initial unklarer Schlaganfallursache vorhersagt.


„Unsere international veröffentlichten Studienergebnisse untermauern die Wertigkeit des
entworfenen Risikoscores für die Abklärung von Schlaganfallpatient*innen. So weisen
Patient*innen mit hohen Risikoscores eine hohe Wahrscheinlichkeit für die nachfolgende
Detektion von Vorhofflimmern auf. Bei diesen Patient*innen ist somit eine intensivierte,
zunehmend kontinuierliche Herzrhythmusüberwachung angezeigt“, schließt Markus Kneihsl
aus den Ergebnissen der Studie. Idealerweise erfolgt das durch einen kleinen
implantierbaren Monitor (sog. Loop Recorder), der das Herz rund um die Uhr überwacht
und auch kurze Vorhofflimmerepisoden zuverlässig detektieren kann.


„Ziel ist es, Patient*innen mit Vorhofflimmern frühzeitig zu erkennen und durch Anpassung
der medikamentösen Therapie einen neuerlichen Schlaganfall zu verhindern“, ergänzt
Markus Kneihsl.


Der Risikoscore, der sich in der klinischen Praxis bereits als äußerst effektiv erwiesen hat,
wird seit Kurzem bei allen Schlaganfällen unklarer Ursache, die an der Universitätsklinik
für Neurologie des LKH-Universitätsklinikums behandelt werden, angewendet und soll in
den nächsten Wochen an allen steirischen Schlaganfallspezialeinheiten und kooperierenden
internistisch-kardiologischen Abteilungen flächendeckende Umsetzung finden. Für seine
Dissertation wurde Markus Kneihsl mit dem „Award of Excellence“ des Bundesministeriums
für Bildung, Wissenschaft und Forschung der Republik Österreich ausgezeichnet.


Weitere Informationen und Kontakt:

DDr. Markus Kneihsl
Medizinische Universität Graz
Universitätsklinik für Neurologie
Tel.: +43 / 316 / 385-82984
markus.kneihsl@medunigraz.at


Steckbrief: Markus Kneihsl

Markus Kneihsl hat sein Medizinstudium und Doktoratsstudium der Medizinischen
Wissenschaften an der Medizinischen Universität Graz abgeschlossen und die
Facharztausbildung zum Neurologen absolviert. An der Universitätsklinik für Neurologie
setzt er seine Schwerpunkte in der klinischen Lehr- und Forschungstätigkeit in den
Bereichen Schlaganfall und Neurosonographie.


Links zu den Publikationen:

https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/34519135/
https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/31216968/

https://www.medunigraz.at/news/

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