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Alzheimer: Bis zu 40 Prozent der Fälle könnten verhindert werden

Alzheimer: Bis zu 40 Prozent der Fälle könnten verhindert werden

Das frühzeitige Erkennen der Alzheimer-Demenz ist für eine rechtzeitige und angemessene Betreuung der Patient:innen sowie für den bestmöglichen Einsatz potenzieller Behandlungen und Präventionsmaßnahmen von entscheidender Bedeutung. Derzeit sind mehrere wichtige Risikofaktoren identifiziert, die eine Demenzerkrankung auslösen oder beschleunigen können. Bis zu 40 Prozent der Fälle könnten durch ein Vermeiden dieser Risikofaktoren verhindert werden, erklärt die Demenzforscherin Elisabeth Stögmann von der MedUni Wien. Am 21. September ist Welt-Alzheimertag.


Die Alzheimer-Krankheit ist die häufigste Demenzform. Es ist eine neurodegenerative
Erkrankung, bei der spezifische neuropathologische Veränderungen wie die Anhäufung von
Amyloid-beta Plaques und neurofibrillären Tangles (TAU-Proteinen) im Gehirn zu
fortschreitendem Verlust von Neuronen und deren Verbindungen führen. Die Folge sind
zunehmende kognitive Einschränkungen.


Zwölf Risikofaktoren identifiziert


„Bis zu 40 Prozent der Demenzerkrankungen könnten durch die Beachtung und Vermeidung
von zwölf wichtigen Risikofaktoren verhindert werden“, sagt die Demenzforscherin Elisabeth
Stögmann von der Universitätsklinik für Neurologie der MedUni Wien. Dazu gehören
bevölkerungsweite Faktoren wie der Zugang zu Bildung und das Ausmaß an
Luftverschmutzung sowie individuelle Risikofaktoren wie Bewegungsmangel, Rauchen,
Übergewicht und Bluthochdruck.

Ältere Erwachsene, die sich sportlich betätigen, erhalten ihre kognitiven Fähigkeiten mit größerer Wahrscheinlichkeit als diejenigen, die sich nicht bewegen.

 

Mehrere Studien berichteten übereinstimmend über ein erhöhtes Demenzrisiko in
Verbindung mit vaskulären und metabolischen Risikofaktoren wie Bluthochdruck,
Hypercholesterinämie und Adipositas in der Lebensmitte.

 

Menschen, die sich an eine mediterrane Ernährung halten (wenig Fleisch und Milchprodukte, viel Obst, Gemüse und Fisch), haben weniger vaskuläre Risikofaktoren und eine insgesamt bessere kognitive Funktion.

Nicht zu rauchen, täglich Obst und Gemüse zu essen und nur mäßig Alkohol zu trinken, erhöht die Lebenserwartung und die Gesundheit im Alter.

Aber nicht nur physische Risikofaktoren gibt es. „Es ist seit einiger Zeit bekannt, dass es einen Zusammenhang zwischen sozialer Isolation und Demenz gibt“, fügt Stögmann hinzu.


Schwierige Abgrenzung zu normalem Alterungsprozess


Das gestiegene öffentliche Bewusstsein für die Entwicklung einer Demenz fördert bei vielen
älter werdenden Menschen die Sorge um eine mögliche kognitive Beeinträchtigung. Immer
mehr Menschen wenden sich an spezialisierte Gedächtnisambulanzen mit der Frage nach einer umfassenden Demenzdiagnostik. Da sich allerdings verschiedene kognitive Funktionen mit dem zunehmenden Alter auch unabhängig von einem krankhaften Geschehen
verschlechtern, ist eine Abgrenzung von einem normalen kognitiven zu einem krankhaft
verlaufenden Alterungsprozess nicht immer einfach zu treffen und bedarf genauer
Untersuchungen.


Frühzeitiges Erkennen wichtig


„Man weiß heute, dass die Ablagerung von Plaques im Gehirn schon zehn bis 20 Jahre vor
dem Auftreten offensichtlicher klinischer Symptome beginnt“, erklärt Neurologin Stögmann.
Die Definition der Alzheimer-Krankheit habe sich dadurch zu einem biologischen
Krankheitskontinuum entwickelt. Die präklinische Phase definiert ein Stadium, in dem frühe
neuropathologische Veränderungen vorliegen, aber noch keine oder wenig kognitive Defizite
nachweisbar sind. Für eine gezielte Prävention, Beginn einer etablierten medikamentösen
Therapie, Aufnahme in eine klinische Studie und die Entwicklung krankheitsmodifizierender
Therapien ist genau diese präklinische Phase von entscheidender Bedeutung. Kognitive
Risikopatient:innen sollten – ähnlich anderen Erkrankungen – möglichst frühzeitig
identifiziert werden. „Daher ist die Diagnose früher Phasen der Alzheimer-Krankheit, wie z. B.
der leichten kognitiven Beeinträchtigung von besonderem Interesse,“ sagt Stögmann, „dafür
sind Screening-Verfahren, die mit einer hohen Sicherheit einen pathologischen kognitiven
Abbau ausschließen bzw. bestätigen können, von großer Bedeutung.


EU-Projekt erforscht Risikofaktoren


Um weitere Risikofaktoren zu identifizieren, forscht Elisabeth Stögmann – sie leitet die
Ambulanz für Gedächtnisstörungen und Demenzen an der Universitätsklinik für Neurologie –
im Rahmen eines von der Europäischen Union geförderten Horizon-2020-Projekts mittels
verschiedener Ansätze an Risikofaktoren für Demenzerkrankungen. Hierbei werden
gemeinsam mit europäischen Kollaborationspartnern Digital-Health-Initiativen sowie
Patient:innenorganisationen miteinbezogen, um die Demenzprävention zu fördern
(https://www.lethe-project.eu/).


„Es müssen noch viele Fortschritte gemacht werden, bevor wir die Alzheimer-Krankheit oder
andere Formen der Demenz aufhalten oder gar heilen können“, gibt Stögmann einen Ausblick
in die Zukunft. Derzeit gibt es keine zugelassene kausale Therapie, auch wenn in den
kommenden Monaten mit großer Spannung neue Studienergebnisse erwartet werden.

 

 

Rückfragen bitte an:
Mag. Johannes Angerer
Leiter Kommunikation und
Öffentlichkeitsarbeit
Tel.: 01/ 40 160-11501
E-Mail: pr@meduniwien.ac.at
Spitalgasse 23, 1090 Wien
www.meduniwien.ac.at/pr


Mag.a Karin Kirschbichler
Kommunikation und Öffentlichkeitsarbeit
Tel.: 01/ 40 160-11505
E-Mail: pr@meduniwien.ac.at
Spitalgasse 23, 1090 Wien
www.meduniwien.ac.at/pr


Medizinische Universität Wien – Kurzprofil
Die Medizinische Universität Wien (kurz: MedUni Wien) ist eine der traditionsreichsten medizinischen Ausbildungs- und Forschungsstätten Europas. Mit rund 8.000 Studierenden ist sie heute die größte medizinische Ausbildungsstätte im deutschsprachigen Raum. Mit 6.000 Mitarbeiter:innen, 30 Universitätskliniken und zwei klinischen Instituten, 13 medizintheoretischen Zentren und zahlreichen hochspezialisierten Laboratorien zählt sie auch zu den bedeutendsten Spitzenforschungsinstitutionen Europas im biomedizinischen Bereich.

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