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Gehirnzellen zur Regulation des Schlaf-Wach-Rhythmus identifiziert

Gehirnzellen zur Regulation des Schlaf-Wach-Rhythmus identifiziert

Ein Studienteam des Zentrums für Hirnforschung der MedUni Wien hat eine spezielle Zellgruppe im Gehirn identifiziert, die für Verschiebungen des Schlaf-Wach-Rhythmus
durch Psychostimulanzien verantwortlich ist. Eine molekular genau definierte Zellpopulation des Hypothalamus, die durch ihre Aktivität den Effekt der Psychostimulanzien reguliert, stellt einen zentralen Steuerungspunkt im neuronalen Schaltkreis dar, der die Kontrolle des zirkadianen Rhythmus im Gehirn bestimmt. Dadurch können Psychostimulanzien auch während Schlafperioden eine Steigerung von Wachsamkeit und Aktivität bewirken.


Der zirkadiane Rhythmus ist die Fähigkeit eines Organismus, seine physiologischen
Vorgänge auf eine Zeit von etwa 24 Stunden zu synchronisieren. Dazu zählt als zentrales
Element der Schlaf-Wach-Rhythmus. Das Zentrum für die Steuerung dieser Gehirnfunktion
liegt im Hypothalamus. Menschen mit unregelmäßigem Schlaf-Wach-Rhythmus, sei es durch
nächtliche Aktivität oder auch Jet-Lag, verwenden oft Psychostimulanzien, um ihre Phasen der
Müdigkeit zu überbrücken und zirkadiane Verschiebungen auszugleichen.


Das Forschungsteam rund um Tibor Harkany und Roman Romanov von der Abteilung für
Molekulare Neurowissenschaften am Zentrum für Hirnforschung der MedUni Wien konnte
nun eine molekular genau definierte Zellgruppe (Th+/Dat1+) im Hypothalamus des Gehirns
identifizieren, die für die durch Psychostimulanzien ausgelösten zirkadianen Veränderungen
der Aktivitätsmuster verantwortlich ist. Die Forscher:innen verwendeten dazu im Tiermodell
Amphetamin, das von bestimmten Zielgruppen mit chronischen Veränderungen des Tag-/
Nachtrhythmus wie etwa Pilot:innen verwendet wird, um auch während der biologisch
vorgegeben Ruheperiode wach bleiben und aktiv sein zu können.


Dazu wurde mittels Einsatz chemogenetischer, optogenetischer und verhaltensbeobachtender Methoden die Zellgruppe im Hypothalamus, die direkt auf diese Stimulanzien anspricht, identifiziert. Das Forschungsteam hat zudem den funktionellen Schaltkreis, in den diese Zellen eingebettet sind, charakterisiert. So wurde nun das laterale Septum als ein weiterer Hirnbereich festgestellt, der an den Regulationsprozessen durch Amphetamine beteiligt ist. Dieses Hirnareal reguliert vegetative Vorgänge und ist an der Kontrolle der Fortbewegung beteiligt.


„Wir konnten über Dopamin-Rezeptoren im lateralen Septum einen neuen Bereich im Gehirn
definieren, der am zirkadianen Rhythmus beteiligt ist und wo Psychostimulanzien ihre Wirkung entfalten können. Werden die Rezeptoren dort gehemmt oder stimuliert,
beeinflussen sie direkt die Aktivität des Organismus“, erklärt Roman Romanov.


„Unsere neuen Erkenntnisse über Modulationsweisen des zirkadianen Rhythmus bieten
Ansatzpunkte für neue Forschungen zur Funktionsweise von Psychostimulanzien“, fügt Tibor
Harkany hinzu, “mit den Rezeptoren im lateralen Septum öffnet sich eine Möglichkeit für
neue therapeutische Ansätze zur Behandlung von Krankheitsbildern, die mit gesteigerter
Aktivität beziehungsweise der Verschiebung zirkadianer Aktivitätsmuster einhergehen.“


Publikation: Nature Communications
A hypothalamic dopamine locus for psychostimulant-induced hyperlocomotion in mice
Solomiia Korchynska, Patrick Rebernik, Marko Pende, Laura Boi, Alán Alpár, Ramon Tasan,
Klaus Becker, Kira Balueva, Saiedeh Saghafi, Peer Wulff, Tamas L. Horvath, Gilberto Fisone,
Hans-Ulrich Dodt, Tomas Hökfelt, Tibor Harkany, and Roman A. Romanov
DOI: https://doi.org/10.1038/s41467-022-33584-3

 


Rückfragen bitte an:
Mag. Johannes Angerer
Leiter Kommunikation und
Öffentlichkeitsarbeit
Tel.: 01/ 40 160-11501
E-Mail: pr@meduniwien.ac.at
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www.meduniwien.ac.at/pr


Mag.a Karin Kirschbichler
Kommunikation und Öffentlichkeitsarbeit
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