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Schwangerschaftsdiabetes: Noch frühere Behandlung als derzeit üblich

Schwangerschaftsdiabetes: Noch frühere Behandlung als derzeit üblich

Tests auf Schwangerschaftsdiabetes werden derzeit gemäß den Vorgaben der Mutter-Kind-Pass-Untersuchungen routinemäßig in der 24. bis 28. Schwangerschaftswoche angeboten, sodass eine Therapie nötigenfalls erst dann eingeleitet werden kann. Eine internationale Studie unter Mitwirkung der Medizinischen Universität Wien hat nun erstmals gezeigt, dass die Behandlung von Schwangerschaftsdiabetes in einer noch früheren Schwangerschaftsphase einen zusätzlichen Schutz für Babys und Mütter vor Komplikationen bietet. Die Ergebnisse der Studie wurden im renommierten New England Journal of Medicine veröffentlicht.


Die Studie untersuchte, ob die Behandlung von Schwangerschaftsdiabetes vor der 20. Schwangerschaftswoche bei Frauen, die bereits ein hohes Gestationsdiabetesrisiko haben, die Gesundheit von Mutter und Kind verbessert und zu einer Verringerung der Komplikationen führt. Derzeit werden Tests auf Schwangerschaftsdiabetes routinemäßig im späteren Verlauf (24. bis 28. Woche) der Schwangerschaft angeboten, jedoch werden diejenigen Frauen, die ein höheres Risiko aufweisen, bereits frühzeitig getestet, um einen nicht diagnostizierten Typ-2-Diabetes auszuschließen. Liegen nun erhöhte Glukosewerte vor, die unter den diagnostischen Richtwerten für Typ-2-Diabetes liegen, wurde zumeist bereits eine Therapie von den betreuenden Ärzt:innen eingeleitet. Bislang lagen zu dieser kontroversiell gesehenen Praxis jedoch keine studiengestützten Daten vor die die Effekte auf Mutter und Kind untersucht haben. Diese Studie konnte nun diese große Wissenslücke schließen, Mitautorin Alexandra Kautzky-Willer von der Universitätsklinik für Innere Medizin III der MedUni Wien erklärt: „Derzeit wird in Richtlinien empfohlen, im Falle eines Schwangerschaftsdiabetes bei 24 bis 28 Wochen medizinisch einzugreifen. Diese Studie liefert neue Erkenntnisse, dass es sinnvoll ist, in einem Risikokollektiv noch früher zu untersuchen und zu behandeln.“


Die randomisierte kontrollierte Studie unter Leitung der Western Sydney University wurde in 17 Krankenhäusern in Australien, Österreich, Schweden und Indien durchgeführt, es wurden über 43 000 Frauen untersucht, davon 802 Frauen mit einem Diabetes-Risikofaktor vor der 20. Schwangerschaftswoche. Seitens der MedUni Wien waren die Klinische Abteilung für Endokrinologie und Stoffwechsel der Universitätsklinik für Innere Medizin III (Alexandra Kautzky-Willer und Jürgen Harreiter) sowie die Universitätsklinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe (Herbert Kiss) als Mitglieder der TOBOGM Research Group beteiligt.


Schwere Geburtskomplikationen vermeiden 

Die Studie verglich die Schwangerschaftsergebnisse von Frauen mit Gestationsdiabetes mit frühem Behandlungsbeginn vor der 20. Schwangerschaftswoche und späteren Beginn der Behandlung abhängig von den Ergebnissen des oralen Glukosetoleranztests (OGTT) in der 24.-28. Schwangerschaftswoche.
Bei mehr als einem von 20 Säuglingen wurde eine Gruppe schwerer Komplikationen vermieden, darunter Geburtsschäden wie Knochenbrüche, Nervenverletzungen oder das Einklemmen während der Geburt, die so genannte Schulterdystokie. Außerdem wurden bei Neugeborenen Atemprobleme, bei denen Sauerstoff benötigt wurde, fast halbiert und die Zahl der Tage, die auf intensivmedizinischen Stationen verbracht werden mussten, ging um 40 Prozent zurück. Außerdem wurden schwere Schäden im und um den Geburtskanal der Mutter, so genannte Dammverletzungen, um mehr als drei Viertel reduziert.


Jürgen Harreiter zur Bedeutung dieser Studie: „Es fehlten bisher Daten, um die Auswirkungen einer solchen Behandlung auf die Mutter oder das Kind nachzuweisen; diese Wissenslücke, von der wahrscheinlich jedes Jahr Millionen von Schwangerschaften betroffen sind, konnte durch diese Studie geschlossen werden.“
„Diese neuen Erkenntnisse dienen als Grundlage dafür, die bestehenden Leitlinien für Schwangerschaftsdiabetes zu überarbeiten, uns auf die besten Grenzwerte für die Diagnose zu einigen und Mütter und Babys noch besser zu schützen“, ergänzt Alexandra Kautzky Willer.


Publikation: New England Journal of Medicine
Treatment of Gestational Diabetes Mellitus Diagnosed Early in Pregnancy
David Simmons, Jincy Immanuel, William M. Hague, Helena Teede, Christopher J. Nolan, Michael J. Peek, Jeff R. Flack, Mark McLean, Vincent Wong, Emily Hibbert, Alexandra Kautzky Willer, Jürgen Harreiter, Helena Backman, Emily Gianatti, Arianne Sweeting, Viswanathan Mohan, Joanne Enticott, and N. Wah Cheung. for the TOBOGM Research Group*
May 5, 2023; DOI: 10.1056/NEJMoa2214956


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Mag. Johannes Angerer
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Öffentlichkeitsarbeit
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