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Vorsorgeuntersuchung konnte mehr als 6.000 Fälle von Darmkrebs verhindern

Männer doppelt so häufig und früher betroffen. Rauchen hat bei Frauen negativere Auswirkungen



Im Jahr 2017 werden zehn Jahre seit der Einführung des Qualitätszertifikats Darmkrebsvorsorge in Österreich vergangen sein. Anlass für einige große Evaluierungen. Allerdings haben wir in den neun Jahren bereits so viele Daten gesammelt, dass ich Ihnen heute schon einige bemerkenswerte Ergebnisse daraus verraten darf.

Um mit der wichtigsten anzufangen: In diesem Zeitraum hat die Vorsorgeuntersuchung dazu geführt, dass mehr als 6.000 Fälle von Darmkrebs verhindert werden konnten. Das sind 6.000 Fälle, in denen Patienten und Patientinnen großes Leid und möglicher Weise der Tod erspart geblieben ist – die Darmkrebs-Sterblichkeit liegt heute bei 50 Prozent. Ich meine: Allein das war den Aufwand wert.

Wir sind heute nicht zuletzt deshalb hier, um Sie zu bitten, mit Ihrer Arbeit dazu beizutragen, dass sich noch weit mehr Menschen dieser, wie Primar Gschwantler gerade ausgeführt hat, harmlosen Untersuchung zu unterziehen. Zwar haben wir in den neun Jahren beeindruckende 213.000 Koloskopien dokumentieren können – und ich möchte mich an dieser Stelle ausdrücklich bei allen Ärztinnen und Ärzten für ihr Engagement und ihre Bereitschaft bedanken, diese Daten selbsteintippend zur Verfügung zu stellen. Im Vergleich zur potentiellen Zielgruppe sagt uns das aber leider, dass die Teilnahmerate insgesamt noch viel zu niedrig ist.

Was wir – neben der wertvollen Öffentlichkeitsarbeit, die Sie leisten – bräuchten, wäre ein Einladungssystem, das wirklich jede Österreicherin und jeden Österreicher über 50 aktiv zur Teilnahme an dieser hocheffizienten Vorsorgeuntersuchung auffordert. Was ein systematisches Screening für die Betroffenen und die Gesundheitsbudgets bringen könnte, haben wir ja gerade gehört.

213.000 dokumentierte Fälle zeigen Sinnhaftigkeit der Vorsorge-Koloskopie

Als Vertreterin der wissenschaftlichen Gesellschaft habe ich es mir zur Aufgabe gemacht, die verfügbaren Zahlen nicht, wie bei vielen solcher Register leider üblich, zum Datenfriedhof verkommen zu lassen. Inzwischen konnten wir aus dem Material rund 15 Studien erarbeiten, die langfristig sicher zur weiteren Verbesserung der Methode und der Rahmenbedingungen für die Gesundenuntersuchung beitragen können.

Vor allem aber zeigen die Auswertungen, dass sich wirklich niemand für vor dieser Krankheit gefeit halten sollte. So wurden bei 38 Prozent aller Patienten und Patientinnen, die ohne jede Symptomatik zur Untersuchung kamen, Polypen in der Darmschleimhaut gefunden. Jeder Fünfte hatte Adenome, aus denen sich ein Tumor entwickeln hätte können. Bei sechs Prozent wurden bereits Wucherungen im fortgeschrittenen Stadium diagnostiziert, von denen vier Prozent pro Jahr tatsächlich zu einer Krebsdiagnose geführt hätten.

Männer sind doppelt so häufig und früher betroffen

Mit unseren Daten war es erstmals auch möglich, geschlechtsspezifische Unterschiede beim Darmkrebs detailliert zu untersuchen. Dabei stellte sich heraus, dass diese größer sind, als bisher angenommen. So erkranken Männer nicht nur doppelt so häufig an einem Kolonkarzinom bzw. deren Vorstufen wie Adenome, sondern im Durchschnitt auch zehn Jahre früher. Wir haben diese Ergebnisse bereits 2011 publiziert. Leider hat das bisher nicht dazu geführt, dass das Alter, ab dem Männer im Rahmen der Gesundenuntersuchung kostenlos zur Koloskopie gehen können, auf zumindest 45 Jahre gesenkt wurde.

Rauchen wirkt sich bei Frauen noch negativer auf das Darmkrebsrisiko aus als bei Männern

Erst diese Woche haben wir eine weiterführende Untersuchung abgeschlossen, die zeigen sollte, ob diese geschlechtsspezifischen Unterschiede durch eine ungleiche Verteilung von Risikofaktoren wie etwa Rauchen, Alkoholkonsum, ungesunder Ernährung oder Übergewicht erklärbar sind. Dabei hat sich allerdings herausgestellt, dass Männer, auch wenn diese Faktoren herausgerechnet werden, schlicht und einfach das größere Erkrankungsrisiko tragen. Mit einer Ausnahme: Wie sich gezeigt hat, wirkt sich Rauchen bei Frauen noch negativer auf das Darmkrebsrisiko aus als bei Männern. Warum das so ist, können wir derzeit aber noch nicht erklären.

Laufende Qualitätsverbesserungen müssten finanziert werden

Obwohl Österreich die Qualitätssicherung bei der Vorsorge-Koloskopie im internationalen Vergleich erst spät – zum Beispiel fünf Jahre später als Deutschland – eingeführt hat, haben wir inzwischen ein mit anderen Ländern vergleichbares Qualitätsniveau erreicht. Freilich darf uns das nicht davon abhalten, alles daran zu setzen, die Qualität laufend weiter zu verbessern.

Wie unsere und andere Daten zeigen, gibt es dafür eine Reihe von lohnenswerten Ansätzen. So zeigt sich etwa, dass – ohne ins technische Detail gehen zu wollen – die Wahl des Instruments zur Abtragung der Läsionen, einen signifikanten Einfluss auf die Behandlungsqualität haben kann. Das ist aber nicht zuletzt auch eine Kostenfrage. Leider sind – wie mein Vorredner bereits erwähnt hat – die derzeitigen Honorare bei weitem nicht kostendeckend. Das führt dazu, dass viele Kolleginnen und Kollegen lieber aufhören, als in neue, höherwertige Gerätschaften zu investieren.

Hämoccult-Test: Qualität fällt dem Kostendruck zum Opfer

Ein weiteres Beispiel, wo Qualität dem Kostendruck zum Opfer fällt, ist der Hämoccult-Test, also die Untersuchung des Stuhls auf Blutspuren. Was die Krankenkassen heute bezahlen ist jene Variante des Tests, die bei der Einführung der Vorsorgeuntersuchung 2005 als State of the Art gegolten hat. Leider hat diese aber entscheidende Nachteile: Der herkömmliche Hämoccult ist wenig empfindlich und kann durch Nahrungsbestandteile wie etwa Fleisch oder Vitamin C leicht verfälscht werden. Wie wenig aussagekräftig die Ergebnisse sind, haben wir in der Analyse unserer Daten gesehen: Demnach werden bei Frauen mit positivem Hämoccult bei einer anschließenden Koloskopie weniger Adenome gefunden als bei Männern mit negativem Stuhltest.

Was die Kassen nicht bezahlen, ist eine deutlich aussagekräftigere Variante dieses Tests, bei dem Blutbestandteile durch eine immunologische Untersuchung über Antikörper nachgewiesen werden. Der kostet zwar ein wenig mehr, führt aber zu deutlich besseren Ergebnissen. Das lässt sich am Beispiel des Burgenlandes zeigen: Das Bundesland galt früher als jenes mit der höchsten Darmkrebsrate und hat sich letztlich entschlossen, den besseren Test zu finanzieren. Mit deutlichem Ergebnis: Heute hat das Burgenland die zweitniedrigste Darmkrebsrate in ganz Österreich.

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