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DIE POSTOPERATIVE NEBENSCHILDDRÜSENUNTERFUNKTION

DIE POSTOPERATIVE NEBENSCHILDDRÜSENUNTERFUNKTION

Die Nebenschilddrüseninsuffizienz nach Schilddrüsenoperationen wurde erst relativ spät als wesentliche Komplikation wahrgenommen. Der Grund liegt wohl in der Zunahme radikaler Eingriffe auch bei gutartigen Erkrankungen und der dadurch erhöhten Gefahr einer unbeabsichtigten Entfernung.


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Die Nebenschilddrüseninsuffizienz nach Schilddrüsenoperationen wurde im Vergleich zur Rekurrensparese erst relativ spät als wesentliche Komplikation wahrgenommen. Der Grund liegt wohl in der Zunahme radikaler Eingriffe auch bei gutartigen Erkrankungen und der dadurch erhöhten Gefahr einer unbeabsichtigten Entfernung.

Es gibt mehrere Definitionen des postoperativen Hypoparathyreoidismus (pHoPT). Praxisbezogen bedeutet es einen simultan erniedrigte Kalzium- und Parathormonspiegel bei fehlender Substitutionstherapie oder wenn mehr als 6 Monate nach einer Schilddrüsenoperation noch immer Substitutionspflicht mit Kalzium und Vitamin D besteht.

Der Verlauf eines pHoPT hängt naturgemäß vom Ausmaß des Parathormondefizits ab aber auch von der Einstellbarkeit. Die Einstellung erfolgt mit Kalzium und dem aktiven Vitamin D-Metaboliten peroral. Probleme treten auf bei schlechter Verträglichkeit des Kalziums mit v.a. gastrischen Beschwerden und bei Resorptionsstörungen im Dünndarm.

Die Symptome reichen von gelegentlichen Parästhesien in Fingern und Beinen bis hin zu schmerzhaften Krämpfen und Berufsunfähigkeit.

Es herrscht Einigkeit im chirurgischen Schrifttum, dass 2 gut durchblutete von den normalerweise 4 Nebenschilddrüsen für eine ungestörte Funktion ausreichen.

Die Häufigkeit des pHoPT hängt ab von der Radikalität des Eingriffes und der Expertise des Chirurgen.

Man unterscheidet temporär und permanent. Die Rate an permanenten Fällen wird in der Literatur mit 0–10,5% angegeben, die Rate an temporären Fällen liegt erheblich höher, allerdings mit einer hohen Erholungsrate in den postoperativen Tagen bis Wochen.

Die Ursache des pHoPT liegt einerseits in der unbeabsichtigten Mitentfernung oder der durch die Operation verursachten Schädigung der Nebenschilddrüse(n) durch Ödem oder Durchblutungsstörungen. Risiko besteht besonders durch Thyreoidektomie beim Karzinom oder Morbus Basedow und schilddrüsennaher Lymphadenektomie. Bei Kindern sind die Nebenschilddrüsen oft schlecht vom Schilddrüsengewebe unterscheidbar oder stark adhärent.

 

Für die Prophylaxe eines pHoPT gibt es Regeln und Möglichkeiten:

  1. Vor Rezidiveingriffen muss eine genaue Recherche der Voroperationen und präoperativen Befunde erfolgen, um die Operationsplanung danach auszurichten und bereits vorhandene Defizite nicht zu verstärken.
  2. Anspruchsvolle Eingriffe erfordern eine entsprechende operative Expertise. Die intraoperative Darstellung der Nebenschilddrüsen ist eine obligate Maßnahme. Die vorsichtige Abpräparation besonders der caudalen Drüsen und die Beurteilung ihrer Durchblutung erfordert Erfahrung. Ein wesentliches Hilfsmittel ist die Lupenbrille. Bei nicht am Gefäßstiel zu erhaltenden Drüsen ist eine Transplantation in fragmentierter Form in Halsmuskeltaschen notwendig und auch grundsätzlich erfolgreich. Auch das intraoperative Parathormon-Monitoring, d.h. die laufende Überwachung des Hormonlevels während der Operation kann in einzelnen Fällen hilfreich sein.
  3. In den letzten Jahren wurde auch das grundsätzlich radikale Vorgehen bei gutartigen Strumen und diversen Frühformen eines Karzinoms in Frage gestellt. Durch das selektivere und restriktive Resektionsausmaß in geeigneten Fällen konnte auch eine Abnahme des pHoPT festgestellt werden.
  4. Gelegentlich und besonders in Risikofällen (z.B. nach Voroperationen) und bei relativer Indikation kann auch ein Operationsverzicht ratsam erscheinen oder zu nichtoperativen Maßnahmen übergegangen werden wie der Radiojodtherapie oder der neuerdings zur Verfügung stehenden Radiofrequenzablation.
 
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Die Komplikation des pHoPT sollten ehemöglichst erkannt werden. Das bedeutet eine Kalzium- und Parathormonabnahme am 1 postoperativen Tag und die frühe Substitution im Bedarfsfall. Ist das Parathormon nicht nur erniedrigt sondern außerhalb der unteren Norm sollte Kalzium mit dem aktiven Vitamin D-Metaboliten kombiniert werden.

Der temporäre pHoPT kann sich oft erstaunlich rasch normalisieren bei Ödem oder vorübergehenden Durchblutungsstörungen. Der permanente pHoPT liegt in guten Statistiken und an spezialisierten Stellen zwischen 1-2%.

 

 

Vortrag gehalten am 16. Österreichischen Chirurgentag des Berufsverbandes der Österreichischen Chirurgen.  

Univ.-Prof. Dr. Rudolf Roka

Leiter der Schilddrüsenambulanz der Chirurgischen Abteilung des KH Göttlicher Heiland.

 

 

 

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